Ernst Haeckel an Helene von Waldthausen, Jena, 30. Dezember 1917

Frau Ellen Waldthausen

(Königswinter am Rhein).

Jena 30.12.1917.

Hochverehrte Gnädige Frau und liebe Freundin!

Zu dem bevorstehenden Beginn des rätselvollen Jahres 1918, von dem wir allerseits den heißersehnten Frieden hoffen, sende ich Ihnen in dankbarer treuer Gesinnung meine herzlichsten Glückwünsche! Hoffentlich ist Ihre Gesundheit wieder ganz hergestellt, und können Sie mit ungetrübter Befriedigung auf die vielen und bedeutenden Wohltaten zurückblicken, welche Sie in dem abgelaufenen Jahre 1917 sowohl notleidenden Mitmenschen als besonders auch der Förderung von Wissenschaft und Kunst erwiesen haben. ||

Unter diesen Verdiensten steht für mich obenan die wertvolle Subvention, welche Sie der (1894 begründeten) neuen „Ernst-Haeckel-Stiftung“ spendeten. Durch Ihre hochherzige Subvention ist es möglich geworden, das Kapital dieser akademischen Stiftung, die von dem hiesigen Universitäts-Rentamte verwaltet wird, auf die Höhe zu bringen, welche den Ausbau und die Unterhaltung des Archivs für Entwickelungslehre gestattet.

Gleichzeitig haben Sie mein vor 10 Jahren begründetes „Phyletisches Museum“ mit einer reichen Sammlung von wertvollen und seltenen Naturalien beschenkt, insbesondere Tiefseeschwämme, Ceratodus und andere australische Raritäten. Der jetzige Direktor des Museums, Prof. Plate, wird Ihnen auch seinerseits den schuldigen Dank dafür ausgesprochen haben. ||

Bei Ihrer besonderen Vorliebe für die Radiolarien, diese reizendsten „Kunstformen der Natur“ ( – deren Spezial-Studium mich seit 60 Jahren, seit 1856 beschäftigt – ) wird es Sie gefreut haben, aus meiner letzten naturphilosophischen Arbeit, den Ihnen übersandten „Kristallseelen“, zu ersehen, welche bedeutungsvolle Rolle diese wunderbaren Protozoen auch für die Lösung wichtiger allgemeiner Probleme spielen, besonders für die Analyse der „Biokristalle“. Nun hat sich jetzt für die weitere Bearbeitung dieser wichtigen Fragen in den letzten Monaten ein sehr brauchbarer neuer Mitarbeiter gefunden, Herrn Regierungs-Baumeister Karl Grimsehl aus Berlin (60 Jahre alt), den ich seit 20 Jahren genau kenne.

Er ist ein ausgezeichneter Techniker und Physiker und hat schon eine Menge der schönsten Praeparate von Radiolarien angefertigt. Jetzt will er mehrere Jahre daran wenden, sie auch von der geometrisch-physikalischen Seite auf ihre Promorphologie zu erforschen. ||

Es wäre schön, wenn es doch noch möglich würde, die von mir längst projektierte „Populäre Naturgeschichte der Strahlinge“, deren reichhaltige Illustration Sie finanziell fördern wollten, bald zu Stande zu bringen. Freilich bleibt es fraglich, ob meine Gesundheit und Arbeitskraft (mit 84 Jahren) dazu noch ausreicht; sie hat im letzten halben Jahr sehr abgenommen.

Mit wiederholtem besten Danke und freundlichsten Wünschen für ein glückbringendes neues Jahr 1918

stets Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel.

Brief Metadaten

ID
32556
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
30.12.1917
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 22,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32556
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Waldthausen, Helene (Ellen) von; Jena; 30.12.1917; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_32556