Ernst Haeckel an Helene von Waldthausen, Jena, 22. November 1917

Jena 22.11.1917.

Hochverehrte liebe Freundin!

Zunächst meinen herzlichen Dank für Ihren freundlichen letzten Brief (vom 19.11.) und für den neuen Beweis Ihrer Güte, den Sie durch Stiftung einer Anzahl wertvoller Bücher für mein Archiv geliefert haben. Daß dessen Kurator, der Archivar Dr. Heinrich Schmidt, bei Ihnen teilweise in Ungnade gefallen ist, bedaure ich lebhaft und begreife es, ehrlich gestanden, nicht. Ich vermute fast, daß das taktlose und törichte Benehmen seiner zweiten Frau (Rose geb. Weber), die von ihrer Mutter, a (einerb von ihrem Gatten geschiedenen Schriftstellerin) ungünstig beeinflußt wird), daran Schuld ist. Rose will als geborene und sehr verwöhnte Berlinerin sich durchaus nicht an die einfachen Verhältnissen von Jena gewöhnen. Nachdem sie ihren Hauptwunsch, ein hübsches Kind zu besitzen (einen kräftigen Jungen) erreicht hat, scheint sie wieder auf Scheidung von ihrem Manne und Übersiedelung nach München, hinzuarbeiten. ||

Daß Sie als erfahrene und sachkundige „Kristallotikerin“ ( – der erste Ehrentitel für Sie als mineralogische Naturfreundin!) meine letzte Arbeit, die „Kristallseelen“, so freundlich aufgenommen haben, freut mich besonders! Ich hätte Ihnen das Buch gern direkt und im schönen Einbande geschickt; aber daran ist bei dem herrschenden Mangel an Papier und an Buchbinder-Arbeitskräften hier jetzt nicht zu denken! Selbst die beabsichtigte Höhe der Auflage war nicht zu schaffen!

Hoffentlich halten Sie sich in dem beginnenden vierten Kriegswinter tapfer durch und haben weder „Kohlennot“ noch „Nahrungsmittel-Sorgen“. Bei uns in Thüringen bestehen in dieser Hinsicht viele Befürchtungen. Persönlich kann ich nicht klagen; ich bekomme fast jede Woche ein Proviant-Paket von sorgsamen Schülern und alten Freunden – sogar von monistischen Gesinnungs-Genossen aus den Schützengräben! – Gesundheit z. Z. leidlich! |

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen

treulichst Ihr ergebener

Ernst Haeckel.c

a gestr.: den; b eingef.: einer; c Schlußformel („Mit … Haeckel.“) vertikal am linken Rand von Seite 2

Brief Metadaten

ID
32554
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
22.11.1917
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32554
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Waldthausen, Helene (Ellen) von; Jena; 22.11.1917; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_32554