Jena 8. Oktober 1917.
Hochverehrte liebe Freudin!
Vorgestern erhielt ich durch die Essener Bank 5.000 Mk (Kriegsanleihe V) – mit Zinskuponsa vom 1. April 1918 an – zugesandt, als zweite Rate der 24.000 Mk, welche Sie mir in hochherziger Weise für die akademische „Ernst-Haeckel-Stiftung“ zu bestimmen die Güte hatten. Ich habe die Wertpapiere sogleich an das hiesige Universitäts-Rentamt, welches letzte verwaltet, abgegeben.
Nun statte ich Ihnen meinen herzlichsten Dank für diesen neuen Beweis Ihres wissenschaftlichen Interesses und Ihrer persönlichen Freundschaft ab. Ich bin sehr froh, daß es mir durch diese Erhöhung des Stiftungs-Kapitals möglich wird, das Archiv auszubauen und den Archivar angemessen zu besolden. ||
Meinen Dankbrief für die schönen Delikatessen, durch die Sie kürzlich meine hungernde Kriegs-Gastrula erfreuten ( – insbesondere das feine Hähnchen!) haben Sie hoffentlich erhalten.
Ich hatte einige sehr unruhige Wochen mit vielen Besuchen. Trotzdem ist es mir gelungen, meine letzte Arbeit glücklich zu vollenden: „Kristallseelen“, Studien über das anorganische Leben“; sie ist jetzt bald fertig gedruckt und wird Ihnen hoffentlich noch im Laufe des Oktober zugehen. Eine wichtige Rolle spielen dabei unsere geliebten Radiolarien, ihr Seelenleben und ihre Beziehungen zu den „Lebenden Kristallen“. ||
Mit meiner Gesundheit geht es leidlich; doch nehmen die Kräfte immer mehr ab, besonders das Herz.
Hoffentlich ist Ihr Befinden zufriedenstellend und können Sie dem schweren vierten Kriegswinter mutig entgegen sehen.
Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen
Ihr dankbar ergebener
Ernst Haeckel.
a korr. aus: Zinscoupons