Ernst Haeckel an Helene von Waldthausen, Jena, 8. Juni 1917

Jena 8. Juni 1917.

Hochverehrte und liebe Freundin!

Ihre freundlichen und vertraulichen Mitteilungen, die ich so eben mit bestem Dank empfangen habe erwidere ich umgehend. Es freut mich sehr zu hören, daß es meinem treuen Archivar Dr. Heinrich Schmidt besser geht, und daß er die gezwungene Muße seiner Wiederherstellung von dem leidigen Unfall benutzt, um Ihren lebhaften wissenschaftlichen Interessen förderlich zu sein und Ihre Sammlungen durchzusehen. Für die gütige Pflege und Fürsorge, die Sie ihm dabei gewähren, wiederhole ich Ihnen meinen herzlichsten Dank, ebenso für die weitere Teilnahme an dem Phyletischen Archiv und an unseren Arbeiten zur Ausgestaltung der Entwickelungslehre. ||

Was Sie mir über Herrn Feodor Wiedemann vertraulich schreiben, war mir sehr interessant und hat mich zu weiterer Vorsicht in den Verhandlungen mit ihm veranlaßt. Ich bekenne Ihnen offen, daß ich ebenfalls seinen Projekten ( – die offenbar teilweise phantastisch sind – ) etwas mißtrauisch gegenüberstehe. Ich glaube, daß seine lebhafte Phantasie, und zum Teil auch Mangel an Kritik, ihn die Verhältnisse oft anders ansehen lassen, als sie in Wirklichkeit sind. Auch seine sanguinischen Hoffnungen, insbesondere was seine künftige feste Anstellung als Ihr Privatsekretär, sowie seine Verwaltung und Verwertung Ihrer reichen wissenschaftlichen Sammlungen betrifft, dürften sehr vorsichtig zu behandeln sein. Ich werde demgemäß mich zurückhalten. ||

Die wichtige Frage von der zukünftigen Ausgestaltung des „Haeckel-Archivs“, insbesondere ob die Villa Medusa dafür angekauft und der Universität Jena als Geschenk übergeben werden soll, können Sie ja jetzt mit Dr. Heinrich Schmidt in aller Ruhe erörtern. Er unterschätzt, glaube ich, die vielfachen Schwierigkeiten, die diesem Projekt entgegenstehen, besonders mit Rücksicht auf die unruhige Lage des Weltkriegs.

Der Kurator unserer Universität, Geheimer Staatsrat Dr. Vollert, mit dem ich vor einer Stunde a ausführlich darüber sprach, äußerte sich sehr günstig und meinte, daß sowohl die Universität Jena, als die Staatsregierung in Weimar, das Geschenk sehr dankbar annehmen würden. Indessen hat ja die Entscheidung darüber gar keine Eile und es müßten viele Einzelheiten bedacht werden. ||

Die Mappe mit den versprochenen Aquarellen wird Anfang nächster Woche an Sie abgehen. Ich bin seit einigen Tagen damit beschäftigt, die Skizzen nochmals sorgfältig durchzugehen und einzelne früher übersehene Fehler zu verbessern. Ich hoffe, daß Ihnen als tiefgründigen Naturfreundin und Weltreisenden, die Erinnerungs-Blätter einige Freude machen werden.

Mit herzlichsten Grüßen

Ihr dankbar ergebener

Ernst Haeckel.

P.S. Die Einlage an Dr. Heinrich Schmidt bitte ich zu lesen und ihm dann einzuhändigen.

a gestr.: darüber

Brief Metadaten

ID
32546
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
08.06.1917
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,9 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32546
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Waldthausen, Helene (Ellen) von; Jena; 08.06.1917; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_32546