Jena 23. April 1917.
Hochverehrte Gnädige Frau und liebe Freundin!
Ihr gestriger Besuch in Jena und die herzliche Teilnahme, die Sie dabei an meiner Lebensarbeit bezeigten, war mir eine solche große Freude, daß ich Ihnen meinen herzlichsten Dank dafür gleich heute schriftlich wiederholen muß. Hoffentlich sind Sie trotz des abscheulichen, um einen Monat zurückgebliebenen Winterwetters, und trotz der ungewöhnlichen Hindernisse, die der Weltkrieg jetzt dem Reiseverkehr bereitet, wohlbehalten in Ihrem schönen Tusculum in Königswinter wieder angelangt.
Ich habe nur bedauert, daß ich Ihnen bei den jetzigen Schwierigkeiten der Ernährung nicht mehr Komfort und Behaglichkeit in Jena bieten konnte. ||
Als wir gestern flüchtig die Dotations-Verhältnisse des neuen „Haeckel-Archivs“ besprachen, dem Sie einen Besuch abgestattet und Ihr freundliches Interesse gewidmet hatten, habe ich wohl die Summen der bisher geleisteten Stiftungs-Beiträge nicht ganz genau angegeben; ich lasse Sie daher nachstehend im Einzelnen folgen.
Die Förderung und das Wachstum dieses originellen – in seiner Art einzigen – Archivs liegt mir jetzt deßhalb ganz besonders am Herzen, weil dasselbe seinen ursprünglichen Rahmen (als „Phyletischen Archiv“) bereits überschritten hat und bestimmt ist, ein Zentral-Organ für die „Gesammte Entwickelungslehre“ und damit zugleich der darauf gegründeten „Monistischen Philosophie“ zu werden („Welträtsel“). ||
Ernst Haeckel-Archiv in Jena
I. Honorar-Erträge der
„Welträtsel“ 36.000 Mk
II. Geschenk des Deutschen
Monistenbundes (1914) 30.000 Mk
III. Stiftung des Geheimrat
Prof. Dr. Duisberg (1916) 10.000 Mk
IV. Beitrag der Karl-Zeiss-
Stiftung in Jena (1917) 20.000 Mk
Summa. 96.000 Mark
Wünschenswert ist, dass das Kapital auf die Höhe von 120. (später 150) Tausend Mark gebracht wird, um aus den Zinsen (4% gerechnet) nicht nur die Besoldung des Archivars (Dr. Heinrich Schmidt) zu bestreiten, der zugleich die neue Professur für Entwickelungslehre übernehmen soll, – sondern auch die Bibliothek und die Manuscripten und Bilder-Sammlung des Archivs zu vermehren. – ||
Die Verwaltung der „Ernst-Haeckel-Stiftung“ wird vom Universitäts-Rentamt besorgt. Falls Sie Sich geneigt finden, auch Ihrerseits einen Beitrag zur Erhöhung des Stiftungs-Kapitals zu gewähren, würde ich Sie bitten, seiner Zeit die betreffende Mitteilung an den Herrn „Prorektor der Universität Jena, d. Z. Geheimerrat Prof. Dr. Maurer, gelangen zu lassen.
Selbstverständlich bin ich zu jeder weiteren Erklärung gern bereit, insbesondere auch betreffs der eventuellen Einrichtung des Archivs in der „Villa Medusa“, – nachdem ich mit meinem Sohne darüber Rücksprache genommen haben werde.
Für heute wiederhole ich Ihnen nun nochmals meinen aufrichtigsten Dank für alle Ihre außerordentliche Güte und bleibe mit besten Grüßen stets Ihr
treu ergebener
Ernst Haeckel.