Ernst Haeckel an Helene von Waldthausen, Jena, 10. April 1917

Jena 10. April 1917.

Hochverehrte Gnädige Frau!

Die erste freie Stunde die ich seit 8 Tagen habe, benutzte ich so eben, um die drei Koffer mit wertvollen Naturalien auszupacken, welche Sie für mein Phyletisches Museum zu stiften die Güte hatten. Ich beeile mich Ihnen dafür meinen herzlichsten Dank zu sagen. Alle Objekte sind uns höchst willkommen; besonders die herrlichen Tiefsee-Schwämme (Hexactinelliden) aus Japan. Da ich mich vor 50 Jahren lange sehr eingehend mit den Spongien beschäftigt habe (1867-1872) und in meiner Monographie der Kalkschwämme (1872) den Olysothus als gemeinsame Stammform aller Spongien nachgewiesen hatte, ist mir diese Ergänzung meiner Sammlung von besonderem Interesse. ||

Was die weiteren australischen Naturalien betrifft, die Sie uns für das Phyletische Museum eventuell später schenken wollen, so wären ein Kiwi (mit Skelet) und Embryonen von Känguruhs sehr erwünscht.

Da mein Museum (als das erste – und bis jetzt einzige – „Museum für Entwickelungslehre“) alle Präparate, die sich auf Keimesgeschichte und Stammesgeschichte beziehen, dem Naturfreunde anschaulich vorzustellen die Aufgabe hat, sind natürlich Embryonen und Skelette der Wirbeltiere vorzugsweise willkommen. Mein früherer Schüler Richard Semon (jetzt in München) dessen großes australisches Reisewerk Sie wohl kennen, hat mir, außer Platypus und Echidna, besonders schöne Paradiesvögel geschenkt. ||

Seine populäre, vortrefflich geschriebene (und mir gewidmete) Reisebeschreibung: „Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres“ – ist Ihnen wohl bekannt; sonst wird es mir ein Vergnügen sein, sie Ihnen zu senden.

Einstweilen schicke ich Ihnen heute, als Ausdruck meiner aufrichtigen Dankbarkeit, meine gesammelten „Gemeinverständlichen Vorträge und Abhandlungen“, sowie die 2 Bände der Festschrift zu meinem 80. Geburtstage, und die „Physiognomische Studie zu demselben (25 Porträts), die mein Sohn 1914 herausgegeben hat.

Sollten Sie meine „Anthropogenie“ und „Natürliche Schöpfungsgeschichte“, sowie die „Monistischen Bausteine“ (1914) noch nicht besitzen, so kann ich sie Ihnen umgehend senden (ebenso eventuell ein größeres Porträt). ||

Die Schlüssel zu den 3 leeren Koffern lege ich dem Bücher Paket bei. Ich wollte auch die 3 Koffer (Ihrem Wunsche entsprechend) heute sogleich zurücksenden; erfahre aber so eben, daß die Bahn für den Güter Verkehr für die nächste Zeit noch gesperrt ist. Soll ich nun die Koffer als Passagier-Gut an Herrn Wiedemann nach Erfurt schicken?

Wenn Sie mich in den kommenden Frühlings-Monaten – die nach dem langen harten Winter hoffentlich recht schön werden – in Jena besuchen, wird es mir eine ganz besondere Freude sein, Ihnen das Phyletische Museum und das neu eingerichtete „Haeckel-Archiv.“, sowie die Aquarelle der Landschaften zu zeigen, die ich auf meinen Reisen gemalt habe.

In vorzüglicher Verehrung

Ihr ergebenster

Ernst Haeckel.

Brief Metadaten

ID
32537
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
10.04.1917
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,8 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32537
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Waldthausen, Helene (Ellen) von; Jena; 10.04.1917; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_32537