Jena 30. März 1917.
Hochverehrte Gnädige Frau!
Gestern war Herr Feodor Wiedemann (aus Erfurt) bei mir und teilte mir mit, daß Sie gesonnen wären – als Freundin meiner zoologischen Arbeiten – mir einige interessante Objekte aus Ihrer reichen Naturalien-Sammlung geschenkweise zu überlassen. Sollten Sie diese Absicht wirklich ausführen, so würde ich Sie bitten, mir vorher die Namen der betreffenden Stücke zur Auswahl mitzuteilen. Besonders erwünscht würden mir Glasschwämme aus Japan sein. Als Gegengabe könnte ich Ihnen Radiolarien-Schlamm aus der Challenger-Sammlung anbieten, sowie einige meiner Schriften, von denen Sie ja mehrere schon besitzen. ||
In der beiliegenden Festrede (vom 30. Juli 1908) finden Sie als Anfang ein Verzeichnis meiner Druckschriften (von 1855-1908). Von den wenigen später erschienenen kleinen Arbeiten dürfte Sie vielleicht die „Gott-Natur“ (im Sinne von Goethe – 1914 – ) interessieren, sowie die „Ewigkeit“ (Weltkriegsgedanken, 1915) und: „50 Jahre Stammesgeschichte“, 1916.
Sollten Sie im Laufe des kommenden Sommers einmal Gelegenheit finden, mich in Jena zu besuchen, so würde es mir ein besonderes Vergnügen machen, Ihnen mein Phyletisches Museum zu zeigen, sowie die Sammlung von Aquarellen (Landschaften), die ich auf meinen Reisen in drei Weltteilen ( – im Laufe von 60 Jahren) gemacht habe. ||
Da ich noch nicht die Ehre hatte, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen, stelle ich mich Ihnen in beifolgenden Postkarten in effigie vor (die jüngere mit 40, die ältere mit 80 Jahren). Wenn Sie mir dagegen ein Bild von Ihnen schenken wollten, würde ich Ihnen sehr dankbar sein.
Bei Gelegenheit meines 80. Geburtstages (1914) hat mein Sohn (Maler in München) eine „Physiognomische Studie“ herausgegeben, welche Porträts von mir (24 verschiedene) im Alter von 18 bis 80 Jahre enthält; sie steht Ihnen auf Wunsch zu Diensten.
In vorzüglicher Verehrung
hochachtungsvoll grüßend
Ihr ergebenster
Ernst Haeckel.