Ernst Haeckel an Max Fürbringer, Bordighera, 3. März 1904
Bordighera (Riviera di pomente)
Park-Hôtel, 3.3.1904
Liebster Fürbringer!
Verzeihe gütigst, dass ich erst heute dazu komme, Dir und Deiner lieben Familie (– im Anschluss an das übersandte gedruckte Dankschreiben –) meinen besonderen persönlichen Dank für Eure liebenswürdige Teilnahme an meinem 70. Geburtstage auszusprechen. Ich wurde aber am 16.2., ganz wider Erwarten, von einer so erdrückenden Fülle von Gratulationen und Liebesbeweisen von Nah und Fern überschwemmt, dass ich die Zeit vor der Abreise von Rapallo nur mit Schreiben von 500 Adressen des gedruckten Dankes, Verpacken der Geschenke u.s.w. zubringen musste. Dazu kam noch die Verpackung von 6 Kisten mit Büchern und Instrumenten. Die Zahl der Gratulanten stieg nachträglich auf über 1100 (Darunter über 100 allein aus Jena, 400 über Jena, 600 direct nach Rapallo). Das herrliche Blumen-Geschenk, das mir Freund Walther in Deinem Auftrage überbrachte, mit prächtigen goldgelben Narcyssen auf blauem Veilchen-Grunde, nahm unter den Massen von Blumenspenden, die unsere beiden Zimmer dekorierten, den ersten Rang ein. In der schönen Festschrift hat mir Dein Artikel: Ueber die Abstammung der Säugetiere (– als ein Lieblings-Thema von mir –) ganz besondere Freude bereitet. Nimm also für alle diese Freundschaftsbeweise meinen herzlichsten Dank entgegen; sprich denselben, bitte, auch noch Braus und Goeppert für ihre schönen Beiträge zur Festschrift aus. Soviel ich mich erinnere, habe ich auch an Beide, ebenso wie an Dich, bereits Exemplare des Dankschreibens (gedruckt) verschickt. Für alle Fälle lege ich noch eines bei. –
Am 15.2. Abends, am letzten Tage meines 70sten Lebensjahres, konnte ich glücklicherweise den letzten Strich unter das || biologische Manuscript machen, an dem ich die 4 Monate in Rapallo ununterbrochen gearbeitet habe (täglich 10–12 Stunden). Das Wetter war leider im Januar und Februar so schlecht, dass ich wenig herauskam. Meine arme Frau musste den ganzen Januar (mit tüchtigem Bronchial-Catarrh, wie in Jena) im Zimmer zubringen. Am 27. verliessen wir Rapallo und fanden hier im Parkhôtel von Bordighera (mit schönem grossem Garten) die gewünschte ruhige Unterkunft.
Wir hoffen hier im März uns zu erholen und Anfang April die Heimreise anzutreten, eine Woche bei unserem Sohne in Sonthofen; Mitte April wieder im alten Jena. Das letzte Heft der „Kunstformen“, das ich (nach vielen Mühen) endlich glücklich vollendet habe, wird Dir im April zugehen.
Dir und Deiner lieben Familie, sowie allen Freunden in Heidelberg, herzlichen Dank und Gruss
von Deinem alten
Ernst Haeckel.