Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Max Fürbringer, Jena, 9. Dezember 1901

Jena, 9. Dec. 1901.

Lieber Freund Fürbringer!

Die Tausend Mark, die Du hochherziger Weise unserer med. nat. Gesellschaft – bezüglich der von ihr fortzusetzenden Herausgabe der Semon‘schen Austral. Forschungsreisen – zum Opfer bringen willst, habe ich soeben durch Postanweisung baar erhalten. Ich sage Dir – zugleich im Namen aller Betheiligten – für diese edelmüthige Offerte unsern herzlichsten Dank!

Es versteht sich natürlich von selbst, dass wir von derselben nur im äusserten Nothfall Gebrauch machen werden, d. h. wenn wir die zugezogene Schuldenlast sonst in keiner Weise decken können. Ich hoffe jedoch, nach den wiederholten Gesprächen mit Eggeling und Abbe, sicher, dass es uns gelingen wird, mittelst unseres motivirten Gesuches aus der „Karl Zeiss-Stiftung“ eine ansehnliche Subvention – zunächst die nachgesuchten 3000 Mk. – zu erhalten. Sobald uns dieses gelingt, werde ich Dir Deinen Beitrag von 1000 Mk. zurücksenden. Ich behalte ihn einstweilen in Verwahrung und mache der Gesellschaft zunächst keine Mittheilung davon. Unsere letzte Sitzung (nebst Geschäftsbericht) wird nächsten Freitag (13.12.) sein.

Ich selbst bin leider ausser Stande, Deinem guten Beispiele zu folgen. Meine bescheidenen Ersparnisse haben durch den Krach der Preuss. Hyp. Akt. Bank und den der Grundschuldbank eine bedeutende Einbusse erlitten; in Beiden hatte ich, sie für absolut sicher haltend, Viel angelegt und nun verloren, u. A. auch die 6000 Mk. die von meiner 60sten Geburtstagsfeier übrig waren und für die „Kunstformen der Natur“ verwendet werden sollten. Ausserdem muss ich jetzt voll für meinen Sohn (– der keine Einnahmen hat –) und seine Frau || (– die gar kein Vermögen besitzt –) Sorge tragen; das „ideale“ junge Paar ist übrigens sehr glücklich und singt: „Ich hab‘ mein Sach‘ auf Nichts gestellt – Juchhe! –“

Hoffentlich ist Deine Dentition wieder ganz in Ordnung; in rührender Sympathie mit Dir, musste ich mich gleichzeitig von Witzel (– der jetzt nach Bonn übersiedelt –) malträtiren lassen. –

Mit tiefer Wehmuth haben mich die traurigen Nachrichten über das Befinden von Gegenbaur erfüllt, ebenso wie die Lectüre seiner Biographie: „Erstrebtes und Erlebtes“. Ich hatte davon Viel mehr erwartet, sowohl in persönlicher als in sachlicher Beziehung. Offenbar hat sein Gedächtnis sehr gelitten; die 18 Jahre in Jena sind kümmerlich behandelt. Auch scheint der Einfluss von Kuno Fischer das gesunde Urtheil vielfach getrübt zu haben. Mündlich mehr!

Mit herzlichsten Grüssen

Dein alter

E. Haeckel.

 

Briefdaten

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
09.12.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32351
ID
32351