Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Heinrich Schmidt, Jena, 6. Dezember 1915

Jena 6.12.1915. Montag Vormittag

Lieber Herr Doktor!

Ihre so eben erhaltene Mittheilung, daß Sie jetzt nach München übersiedeln wollen, hat mich überrascht. Ob dieser Entschluß richtig, – d. h. vernünftig und zweckdienlich! – ist, vermag ich bei der höchst verwickelten und bedauerlichen Sachlage nicht zu beurteilen. Nach dem, was mir Ihre Frau Rose gestern Vormittag mitteilte, scheint sie fest entschlossen, sich definitiv von Ihnen zu scheiden. Nach dem aber, was Sie mir gestern Nachmittag sagten, muß ich wieder annehmen, daß Sie für Ihre Hoffnung, doch noch zu einer glücklichen Versöhnung und dauernden befriedigenden Vereinigung zu gelangen, hinreichenden Grund haben. – ||

Was die fernere Unterstützung Ihrer wichtigen Arbeit, die von uns beabsichtigte „Geschichte der Entwicklungslehre“ betrifft, so bin ich gern bereit, Ihnen das Umrath-Stipendium von 4000 Mk noch für das nächste Jahr zu überlassen; ich glaube, daß wir sicher darauf rechnen können. Ich werde auch demnächst deshalb an Umrath nach Prag schreiben und ihm 2 eingerahmte Aquarelle mitsenden.

– Daß Sie in München mehr Ruhe und Stimmung zu zusammenhängender philosophischer Arbeit finden werden, als hier, ist – trotz der hiesigen schwierigen Sachlage! – zu bezweifeln? Haben Sie auch alle oekonomischen und finanziellen Verhältnisse wohl bedacht? – Auf alle Fälle bleiben Ihnen meine aufrichtigen besten Wünsche!

Stets Ihr

E. Haeckel. ||

Haben Sie die geliehenen Briefe (– namentlich an meine Eltern – und von diesen an mich –) sicher verwahrt?

Ist es nicht besser, sie sämmtlich vor Ihrer Abreise zurückzubringen?

– Wann gedenken Sie zu reisen?

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.12.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32166
ID
32166