Ernst Haeckel an Gustav Herold, Jena, 7. Juli 1891

[Abschrift]

Jena

7. VII. 1891

Lieber Herr Herold!

Die schöne Büste, durch welche Sie meine Person dem Andenken der Nachwelt überliefert haben, ist gestern wohlbehalten hier eingetroffen und heute bereits im hiesigen Zoologischen Institut von meinen näheren Freunden und Verwandten besichtigt worden. Zu meiner großen Freude kann ich Ihnen mittheilen, daß das Urtheil allgemein ein sehr günstiges ist, und daß das edle Kunstwerk „im Character vorzüglich gelungen“ gefunden wird.

Meine Frau, die ein sehr feines Kunsturtheil besitzt, und von der früher übersandten Photographie der Büste nicht sehr befriedigt war, || äußerte sich sehr überrascht und erfreut; sie findet namentlich Stirn und Nase sowie die gesamte Haltung des Kopfes „ausgezeichnet gelungen“. Das Einzige, was sie vielleicht ein wenig besser wünschte, wäre:

1. Der Ausdruck etwas zu streng und finster (Stirnfalten etwas zu tief); 2. Blick ein wenig zu ernst und starr; 3. Unterlippen ein wenig zu dick (der Raum unmittelbar unter der Unterlippe etwas zu voll; besonders unterhalb beider Mundwinkel).

Der Kunstverständigste unter meinen hiesigen Freunden war sehr entzückt und nannte die Büste „ein geniales Meisterwerk, auf das der Künstler stolz sein kann.“ Er findet gerade den Ausdruck der geistigen Energie und Festigkeit || ganz meiner „unermüdlichen Kämpfer-Natur“ angemessen. Dieser Kritiker fand nur die Unterlippe etwas zu dick und nicht fein genug modelliert. Im Ganzen ist der Eindruck „ausgezeichnet gelungen!“ Ich freue mich aufrichtig mit Ihnen und danke Ihnen für die viele Mühe und Arbeit, die Sie sich mit meinem Kopf gegeben haben, auf das Herzlichste!

Eine Ausführung in Marmor und eine in Bronze sind in Aussicht! Bitte mir mitzutheilen,

1. Wie hoch dieselben kommen werden;

2. ob der Preis der Bronze-Güsse niedriger ist, wenn a mehrere (3–4) gemacht werden,

3. Wieviel die Gypsbüste kostet?

Von letzteren bestelle ich zunächst drei und werde Ihnen die Adresse, wohin sie zu senden sind, angeben. Sobald ich von Weimar Nachricht habe, schreibe || ich Ihnen.

Inzwischen herzlichsten Gruß und wiederholten Dank von

Ihrem treu ergebenen

gez. Ernst Haeckel

P. S. Der Character wird besser als in Kopfs (gemeint ist Prof. Kopf in Rom, welcher H. ebenfalls modelliert hatb) Relief gefunden. –c

a gestr.: man; b Anm. des Abschreibers: gemeint ist … modelliert hat.; c am Rand von S. 1.: P. S. Der … Relief gefunden. –

Brief Metadaten

ID
32008
Gattung
Briefabschrift
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
07.07.1891
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,4 x 22,5 cm
Besitzende Institution
unbekannt
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Herold, Gustav; Jena; 07.07.1891; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_32008