Ernst Haeckel an Albert Niess, Jena, 31. Dezember 1873
Jena 31. Dec 73
Lieber Herr Niess!
Durch Ihre freundliche Weihnachts-Sendung haben Sie mir eine ausnehmende Freude und Überraschung bereitet. Zwar bin ich in den letzten Jahren schon mit manchem freundlichen Geschenke und mancher ehrenvollen Anerkennung von dankbaren Lesern der „Schöpfungsgeschichte“ erfreut worden. Aber eine so freundliche und von Herzen kommende Sendung habe ich noch selten erhalten! || Ihre sinnigen Weihnachtsdichtungen haben mich sehr erfreut, noch mehr aber die trefflichen, von echter Überzeugungstreue durchdrungenen freisinnigen Artikel in der „Rundschau“. Wie sehr ich mit den daselbst ausgesprochenen Überzeugungen einverstanden bin, wissen Sie bereits aus meinem Buche. Unserem „Bekenntniß“ gehört die Zukunft! Jede solche mutige und freie Äußerung der wachsenden Erkenntniß ist ein neuer Anziehungspunkt für andere schwächere Geister, die sich daran anlehnen können. || Was den materiellen Theil Ihres freundlichen Geschenkes betrifft, so bedankt sich dafür meine ganze Familie. Meine Frau war ganz entzückt von der berühmten Braunschweiger Wurst, die auch ich zum ersten Mal kostete, und die der feinsten Straßburger „Gänseleber-Pastete“ nicht nachsteht. Meine beiden Kinder (Walter von 5 und Lisbeth von 3 Jahren; – das dritte, jüngste, Emma, ist erst 3 Monate alt) haben sich nicht minder an den delicaten Pfefferkuchen ergötzt, und die kleine Lisbeth stattet Ihnen beifolgend ihren Dank in photographischer Person ab; Walter soll später nachfolgen! ||
Meine Zeit ist gegenwärtig sehr durch Ausarbeitung eines (bereits unter der Presse befindlichen) Buches in Anspruch genommen, welches im nächsten Frühjahr, spätestens Sommer, erscheinen wird. Ich werde Ihnen dasselbe sogleich nach seiner Vollendung zusenden und hoffe, dass Sie Interesse daran finden werden!
Inzwischen wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie von Herzen Alles Gute für das neue Jahr! Nochmals den herzlichsten Dank und die freundlichsten Grüße von Ihrem treu ergebenen
Ernst Haeckel