Ernst Haeckel an Käthe Besser, Jena, 29. Juli 1899

Zoologisches Institut

der Universtität Jena.

Jena, den 29.7.99.

Hochverehrte Freundin!

Die furchtbare Unruhe der beiden letzten Semester-Wochen (– Überhäufung mit Examina, Besuchen, Berichten etc) – läßt mich erst heute dazu kommen, Ihnen für Ihren lieben Brief zu danken. Ich bedaure aufrichtig, daß es uns nicht vergönnt ist, unsern im Frühjahr entworfenen Plan auszuführen und einige schöne Wochen Sommerfrische zusammen in Tyrol zu verleben.

Allein mein pessimistischer Gemüths-Zustand ist der Art, daß ich ein erbärmlicher Gesellschafter für jeden vernünftigen und der Erholung bedürftigen Menschen abgeben würde! || Ich habe daher auch meine verheirathete Tochter, die jetzt mit ihren beiden Töchterchen in Tyrol (Gossensass) ist und dringend wünschte, dort einige Wochen mit mir zusammen zu sein, gestern definitiv abgeschrieben. Ich habe nun meinen Reiseplan insofern geändert, als ich das Hauptgewicht darauf lege, längere Zeit am Mittelmeer zu sein, theils höher im Gebirge (um mich an Landschafts-Aquarellen zu erfrischen), theils an der Küste, um meine geliebten Medusen und andere „Kunstformen der Natur“ nach dem Leben zu zeichnen.

Diese Liebhaberein wirken immer am besten auf meine unruhige Seele. || Wahrscheinlich werde ich den größten Theil der Ferien in Corsica und Sardinien zubringen, vielleicht auch noch nach Sicilien gehen.

Da ich am 4. August meine Vorlesungen schließe, werde ich wohl schon am 6. oder 7. abreisen. Ich werde Ihnen von Zeit zu Zeit über meine Reise berichten.

Für Ihre Gesundheit (– die jedenfalls viel besser ist als die meine! –) dürfte wohl ein längerer ruhiger Aufenthalt an einem schönen Gebirgsort das Beste sein; falls nicht doch ein nördliches Seebad (z. B. Marienlyst bei Kopenhagen, sehr schön! oder ein Bad an der Pommerschen Küste, mit schönen Buchenwäldern) vorzuziehen ist. ||

Bestellen Sie Ihrem lieben Mann und ihrem Frl. Tochter meine herzlichsten Grüße! Ich danke nochmals bestens für sein neues Buch a über „Die menschliche Sittlichkeit“ und wünsche ihm von Herzen besten Erfolg! –

Meine „Welträthsel“ sind nun glücklich fertig und sollen Mitte September ausgeben werden.

Sie erhalten sie sofort durch Strauss.

Indem ich Ihnen meine aufrichtigsten Wünsche für eine gesunde und fröhliche Sommerfrische sende, bleibe ich mit freundlichsten Grüßen

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel.

a gestr.: „D

Brief Metadaten

ID
31833
Gattung
Brief ohne Umschlag
Empfänger
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
29.07.1899
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 22,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 31833
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Besser, Käthe; Jena; 29.07.1899; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_31833