Ernst Haeckel an Käthe Besser, Rom, 13. Oktober 1899

Roma 13.10.1899.

Verehrteste Freundin!

Gestern erhielt ich hier, nach der Rückkehr von einer sehr schönen 8tägigen Reise in’s Sabiner-Gebirge, Ihren lieben Brief vom 4.10., und zugleich denjenigen Ihres lieben Mannes. Ich danke Ihnen Beiden herzlich für Ihre freundliche Theilnahme und für die wiederholte Einladung, auf der Rückreise Bonn zu besuchen. Ich hätte dies wirklich sehr gern gethan, in Erinnerung an die liebenswürdige Gastfreundschaft, die Sie mir im August vorigen Jahres schenkten. Aber leider muß ich in 6 oder 7 Tagen direct über den Brenner und München nach Jena zurückreisen, da Professor Lenbach dann noch mein Portrait malen will. || Auch ein zweiter, weniger angenehmer Grund nöthigt mich zur directen Rückreise. Als ich vorgestern im Sabiner-Gebirge von Subiaco nach Olevano ritt, stürzte mein Maulthier über eine sich ablösende Felsplatte. Ich erhielt dabei zwar keine gefährliche Verletzung, aber eine unangenehme Contusion des rechten Kniegelenks. Dasselbe war am folgenden Tage angeschwollen, das Bein steif und ich zum Gehen unfähig. Ich mußte daher von Olevano direct nach Rom zurückkehren und mich in das hiesige Deutsche Hospital begeben. Ich habe hier ein sehr gutes Zimmer (mit schönster Aussicht auf Palatin und Aventia) bekommen, sowie sehr gute Pflege, durch 2 Diakonissineen aus Kaiserswerth, u. ein deutscher Arzt. || Ich muß zunächst noch mehrere Tage (– wenn nicht länger –) ganz ruhig liegen. Doch hoffe ich in 4–6 Tagen wieder gehen zu können. Dann werde ich wahrscheinlich gleich abreisen, da ich am 21.10. in München, am 25 in Jena zurück sein muß. Dort werde ich unter einem Haufen von Briefen hoffentlich auch den Ihrigen finden (von dem Sie mir schrieben), sowie das Buch Ihres lieben Mannes (das wahrscheinlich von Marseille nach Jena geschickt ist?). Ich bitte ihm dafür meinen besonderen Dank zu sagen. Daß mein „Racker von Seele“ (– selbst nur als Function des Gehirns begriffen –) vor seinem strengen agnostischen Urtheil keine Gnade gefunden, bedauere ich sehr. ||

Nachdem ich Ajaccio am 30.9. verlassen, hatte ich am 1. October (dem letzten Tag auf Corsica) noch eine sehr schöne Excursion von Bastia nach San Fiorenzo (Wagenfahrt von 57 Kilometer). Denselben Abend noch fuhr ich mit einem kleinen Dampfer von Bastia nach Livorno, am 2. von Livorno nach Rom. Hier blieb ich nur einen Tag, und trat gleich am 3. die sehr gelungene Reise in die Montagna Sabina an (Tivoli, Subioca, Olevano). Ich habe in diesen 8 Wochen mich sehr erholt, und tüchtig gemalt; ich bringe über 50 Aquarell Skizzen mit zurück. Das beruhigte „Herz“ (– das in keiner Beziehung Viel taugt! –) hat sich brav gehalten und eher gebessert. –

Ihren Gruß an den „heiligen Vater“ werde ich bestellen, wenn ich ihm meine „Welträthsel“ überreiche!

Mit herzlichen Grüßen an Sie und Ihre liebe Familie

Ihr E. Haeckel.a|

Adresse in Rom: Ospedale Germanico, 26 Via Tarpea.b

a Text am linken Rand von S. 4: Mit herzlichen … Ihr E. Haeckel.; b Text am linken Rand von S. 1: Adresse in … Via Tarpea.

Brief Metadaten

ID
31831
Gattung
Brief ohne Umschlag
Empfänger
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Italien
Datierung
13.10.1899
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 22,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 31831
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Besser, Käthe; Rom; 13.10.1899; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_31831