Ernst Haeckel an Käthe Besser, Jena, 30. November 1899

Jena 30. November 1899.

Hochverehrte Freundin!

Beifolgend erhalten Sie das dritte Heft meiner „Kunstformen der Natur“ und zugleich das gewünschte dedicatirte Exemplar der bösen „Welträthsel“. Der Erfolg dieses Buches – das doch recht viele Mängel besitzt – überrascht mich selbst. Jetzt kommt schon die dritte Auflage (VI. u. VII. Tausend). „Habent sua fata libelli!“ Mein inhaltreichstes und schwierigstes Werk, das viel mehr neue Gedanken enthält, die 3 Bände der „Systematischen Phylogenie“ (1894–96) finden selbst bei den nächst interessirten Fachgenossen keine Beachtung! ||

Mit lebhaftem Bedauern habe ich gehört, daß Sie durch die schwere Erkrankung Ihres lieben Mannes in rechte Sorge versetzt waren. Hoffentlich ist er jetzt wieder ganz hergestellt.

Auch ich habe wieder recht schlechte Zeit gehabt. Meine arme Frau hatte schon im September einen neuen Anfall schwerer Art von ihrem alten Herz- und Nerven-Leiden gehabt (mit zunehmender Verfettung des Herzmuskels); und dazu kam die beständige Sorge um unsere arme (jetzt 26jährige) Tochter, deren melancholischer Gemüths-Zustand immer trauriger wird. ||

Es ist recht traurig, liebe Freundin, wenn uns am Lebens-Abend statt freundlichen Sonnenscheins düstere Wolken umgeben!

Im Übrigen kann ich nicht klagen. Mir selbst sind die Strapatzen der Herbstreise gut bekommen. Eine besonders anstrengende Arbeit habe ich jetzt nicht vor; ein Berg von mehreren hundert Briefen, der sich während meiner 11wöchentlichen Abwesenheit angesammelt hatte, giebt mir noch immer gehörig zu thun.

Mit freundlichsten Grüßen und besten Wünschen für Sie und für Ihre liebe Familie

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel. ||

P. S. Das Portrait von Lenbach (jetzt in München ausgestellt) ist sehr gelungen. Ich schicke Ihnen beifolgend eine der verschiedenen photographischen Aufnahmen, welche er behufs Ausführung hatte machen lassen. –

Als sehr interessantes Buch (für Weihnacht) empfehle ich Ihnen: Troels-Lund, Himmelsbild u. Weltanschauung (Leipzig, Teubner, 1899 – 5 Mark).

– Dem Verfasser des beiliegenden Bismarck-Hymnus, Ingenieur Gustav Kleemann in Hamburg bitte ich (– auf seinen Wunsch! –) den Empfang desselben per Postkarte freundlichst anzuzeigen.

Auf frohes Wiedersehen im neuen Jahrhundert!

Mit besten Grüßen und Weihnachts-Wünschen

Ihr

E. H.

Brief Metadaten

ID
31830
Gattung
Brief ohne Umschlag
Empfänger
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
30.11.1899
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,9 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 31830
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Besser, Käthe; Jena; 30.11.1899; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_31830