ZOOLOGISCHES INSTITUT
DER UNIVERSITÄT JENA.
Jena 14.10.1906.
Liebe und hochverehrte Freundin!
Erst vorgestern bin ich von einer 12tägigen Harzreise zurückgekehrt, die ich als Nachkur zu der 4wöchentlichen Badekur in Wildungen ausführen sollte. Beide Erholungsreisen sind mir vortrefflich bekommen; meine Gesundheit ist besser als seit einem Jahre, und ich hoffe, am 29.10. die Winter-Vorlesungen wieder aufnehmen zu können. Das October-Wetter für die Harzreise (Brocken, Ilsenburg, Wernigerode etc) war wunderschön, die bunte Färbung der Laubwälder prachtvoll. ||
Nach der Rückkehr fand ich hier Ihren liebenswürdigen Brief vom 3.10 vor, und zugleich die herrliche Ananas, die ich sogleich (mit großem Genusse!) gastronomisch verwertet habe. Für beide Beweise Ihrer treuen Freundschaft herzlichsten Dank! Als ich eben Ihren lieben Brief noch einmal las, mußte ich lächeln, daß Sie mich als „Erzieher“ (zur Naturbetrachtung) preisen.
Gerade heute erhielt ich eine so eben erschienene (von Koehler-Gera herausgegebene) Broschüre von A. Dodel: „E. H. als Erzieher“! || Sie werden darin (gleich auf den ersten Seiten) finden, daß ich selbst gerade in dieser Beziehung mich äußerst gering einschätze. Im Übrigen wird Ihnen Manches in Dodels Broschüre (deren Publication ich vergeblich zu verhindern suchte) Vergnügen machen.
Da ich hier einen Berg von angesammelten Briefen vorfand, sende ich Ihnen heute nur noch herzlichste Grüße, und die Bitte, mir Ihre freundschaftliche Gesinnung auch ferner zu bewahren.
Ihr treu ergebener
Ernst Haeckel.