Göttingen 9. Okt. 1886.
Hochverehrtester Herr Professor,
Von Berlin bin ich so seelig zurückgekommen wie von sonst keiner Reise! Die Stunden in Du Bois Hörsal und der endliche Triumph den Sie feiern durften, und bei dem ich dabei sein konnte, wird mir unvergesslich sein. Leider ist Ihnen jetzt ein Aerger nicht erspart worden, den Kleinenberg durch seine || blasierte freche Arbeit verschuldeta hat. Freilich werden Sie nur ein Lächeln für seine Schmähungen haben aber so Viele Ihrer Feinde werden sich über diese Unverschämtheiten freuen. Denn dass sich Kleinenberg durch seine Anmaßungen selbst richtet, fällt den Meisten nicht sofort ein. Wer anders als Sie hat ihn eigentlich bekannt gemacht? Hätten Sie nicht fortwährend auf die Tragweite seiner Neuromuskeln aufmerksam gemacht, so wäre er heute nicht bekannter wie andere Forscher, denen nicht das Glück wurde, dass ein Haeckel ihnen || die Wege ebnete.
Und was ist es sonst für ein Unsinn, den er vorbringt für die Anneliden Medusenverwandschaft!
Die Arbeit, die teilweise in einem hässlichen Feuilletonstile geschrieben ist, ist so recht das Werk eines klassischen Roués! Als ich Kleinenberg das letzte Mal – Herbst 1885 – in Rom traf, da merkte ich schon, welche Umwandlung mit ihm vorgegangen war. Er ist verbissen, dabei von einem Hochmutsdünkel und Größenwan – wie er einmal bei allen Zoologen auszubrechen || scheint, wenn Sie einsehen, dass viel Arbeit und vor allem ein Etwas dazugehört, um ein Meister zu werden, das ihnenb fehlt, das Genie. Ich lese gerade den zweiten Tag an diesem Opus das mir die Ruhe raubt. Ich bin jetzt allein, meine Frau ist noch in Weimar bei ihrer Mutter, und kommt erst Montag zurück.
Dass ich nicht noch einen Tag in Berlin blieb, ärgert und grämt mich jetzt. Ich hätte so gern Ihre Frau Gemalin, der ich mich zu empfehlen bitte, begrüßt – aber die wenigen Tage waren schon genug für mich.
In alter Treue
Ihr
Otto Hamann.
a eingef.: ver-; b korr. aus: Ihnen