Otto Hamann an Ernst Haeckel, Göttingen, 29. Juni 1886

Goettingen 29. Juni 86.

Hochverehrtester Herr Professor,

Wir waren mitten im Umzuge begriffen, da kamen Ihre lieben Zeilen und brachten wie immer Freude. Sie wissen es wie sehr jede briefliche Zeile Freude bringt, die Sie schreiben ja am besten vom alten lieben Deubler, der so oft und schön dieser Freude Ausdruck gegeben hat. Diese Ferien und noch jetzt lese ich an dem Buche von Dodel. Ich freue mich über die Begeisterung die in diesem Schweizer steckt. Wie wenige können sich jetzt noch || für etwas begeistern und vollends die Lebensbeschreibungen, die jetzt geschrieben werden, können einen nur anekeln! Jeder sogenannte Biograph glaubt die Fehler seines Helden recht hervorheben zu müssen, sonst ist er ja parteiisch. An Dodel-Port will ich schreiben, so hat mir das Buch gefallen und ist mir ans Herz gewachsen.

Wir sind in das Innere der Stadt, Weenderstr. in eine Parterrewohnung gezogen, die 240 Mk. billiger ist als die frühere Wohnung. Das ist ein gewaltiger Unterschied für meine Kasse. – Haben Sie Metschnikoffs neue Medusen Entwicklung gelesen. Ich habe Lust zu antworten, will es aber bis nach den großen Ferien verschieben, die ich || – etwa 4 Wochen – in Kiel zubringen will, um die Entwicklungsgeschichte (Brutpflege und Gastrulabildung) von Cyanea zu beenden, die ich vor 2 Jahren schon beinahe beendet hatte. Hier findet typische Einstülpung Statt. Vorher aber nehme ich noch Rücksprache mit Ihnen in Jena. Ich habe viel zu fragen und zu erzälen. Ueber die Besetzung von Rostock habe ich – allerdings unter Verschwiegenheit – von dort direkt gehört, dass Braun aus Dorpata an erster Stelle und Spengel an zweiter vorgeschlagen werden soll. Dass ist eine üble Geschichte. –

Verreisen Sie dieses Jar etwa nach dem Norden? da im Süden die Cholera am Ende weiter vordringt. Dann kommen Sie doch, bitte, hier durch und zu uns, aber nicht so kurz wie das || letzte Mal.

Zu schreiben weiß ich nichts mehr, als mich nochmals zu bedanken und das ward er Zwecke dieser Zeilen.

Wie immer empfehle ich mich Frau Professor, dasselbe tut meine Frau.

Ihr treuer

Otto Hamann.

a eingef.: aus Dorpat

Brief Metadaten

ID
30888
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
29.06.1886
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30888
Zitiervorlage
Hamann, Otto an Haeckel, Ernst; Göttingen; 29.06.1886; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_30888