Otto Hamann an Ernst Haeckel, Göttingen, 31. Mai 1885

Goettingen 31. Mai 85.

Hochverehrtester Herr Professor,

Zurückgekehrt von einer kurzen Pfingstreise – ich war bei meiner Mutter in Koelln – fand ich den Brief mit dera bekannten markigen Aufschrift, der Ihrigen! Ich glaubte schon im letzten Brief, den ich Ihnen sand [!], etwas dummes geschrieben zu haben, da ich keine Antwort erhielt. Aber in Gedanken an die viele Arbeit, die Sie täglich vollbringen, schalt ich mich überhaupt Sie zum Schreiben veranlasst zu haben. – Sie können es || sich aber kaum vorstellen was für eine Befriedigung es mir gewärt zu wissen, dass Sie von Zeit zu Zeit noch an mich denken. Und wenn ich schon wider schreibe, und es öfter tue, so erlauben Sie es mir, bitte, bin ich doch Ihr Schüler und sind Sie doch meinen einziger specieller Lehrer. – Ehlers hat sich doch noch bequemen müssen die Antwort Köllikersb aufzunehmen, nachdem dieser mancherlei geändert haben soll. Dass seine Entgegnung den Kern der Sache nicht trifft, ist wol jedermanns Meinung. Die Entgegnung ist so altersschwach wie ihr Schreiber. Nun, die Geschichte geht über solche Dinge schweigend hinweg. Als guter Arbeiter und Beobachter wird man Köllikerc wol anerkennen; einen Gedanken aber hat er wol || nie gehabt, oder nur schlechte, wie in seiner Sprungtheorie. –

Die Cestodenarbeit ist garnicht vorgeschritten. Ich hatte zum Colleg wie für die Sammlung in letzter Zeit viel zu arbeiten, sodass mir Lust fehlte selbst zu arbeiten. Pf. Ehlers hat von Agassiz, neue Echinodermen, über 200 species Fische usw. erhalten, die alle aufgestellt, und gebucht werden müssen. Außerdem war eine von Tylor geschickte Sammlung von allen möglichen Biestern zu ordnen. – Mit Mühe und Not habe ich meine Asteridenarbeit corrigirt und hoffe sie bald gedruckt Ihnen senden zu können. – Ueber 700 Studenten in Jena! Seit 10 Jaren hat sich das hiesige Nest nicht gehoben! || Im Gegenteil die Zal vermindert sich. – Nach dem Catalog ist die Zal der Naturwissenschaften Studirender zwar noch immer groß, aber es werden alle mitgeführt, die bereits ihr Examen gemacht haben, Göttingen aber längst verlassen haben. Der größte Teil studirt Chemie. Ehlers hat 10 Mann Naturwissenschaftler, ebensoviel Mathematiker und etwa 30 Mediciner in seinem Hauptkolleg: Ueberblick über das Gesamtgebiet der Zoologie, es kostet 36 Mark!

Ich habe im Privatkolleg 8 Mann. Für hier viel Studenten, wo man zum Privatdozent kaum geht. Davon arbeitet nur einer speciell im Institut. –

Henle hat noch vor seinem Tod Vorschläge zur Besetzung der Stelle gemacht, die auf eine Besetzung durch Merkel hinausliefen. Die Facultätssitzung ist erst in dieser Woche. Man will Merkel || nicht haben, sondern die Stelle soll geteilt werden in eine rein anatomische und eine histologische. Für erstere ist Henke in Tübingen in Aussicht genommen, für letztere Krause, der onedies etwa 3000 M. Gehalt bezieht. Ob Henke freilich kommen wird, ist eine andere Frage. Jedenfalls aber sind viele Stimmen auf ihn vereinigt. – Für Ihre liebenswürdigen Grüße sagt meinen Frau besten Dank!

Ich bitte mich Ihrer Frau Gemalin zu empfehlen! Zum Schluss erlaube ich mir noch eine Frage und Bitte. Wenn von den Radiolarientafeln eine oder die andere als unbrauchbar zurückbleibt, kann ich dieselbe dann, wenn auch nur leihweise, für mein Kolleg bekommen?

In Dankbarkeit Ihr

Otto Hamann.

a korr. aus: den; b irrtüml.: Köllicker; c irrtüml: Köllicker

Brief Metadaten

ID
30883
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutschland
Datierung
31.05.1885
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
5
Umfang Blätter
3
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30883
Zitiervorlage
Hamann, Otto an Haeckel, Ernst; Göttingen; 31.05.1885; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_30883