Otto Hamann an Ernst Haeckel, Göttingen, 10. Oktober 1883

Göttingen, 10.X.83.

Hochverehrtester Herr Professor,

Für das große Vertrauen was Sie mir beweisen, indem Sie mich an Prof. Schulze empfehlen, sage ich meinen besten Dank. Ich würde sofort an denselben schreiben, aber ich habe keine Kraft und Mut mehr dazu. Seit ich hier bin hat sich mein tolles Ungestüm gelegt. Ich glaube nicht, dass ich noch einen Umhabilitirung durchmachen könnte, wenigstens nicht selbst mag || ich damit anfangen. Die Anfertigung von zootomischen Präparaten hält mich nicht davon ab. Gern würde ich dieselben machen, um dabei zu lernen.

Was meine törichte Polemik gegen Brandt betrifft, so war dieselbe kaum nach dem Durchlesen seiner Arbeit geschrieben. Ich bin oft in einer hässlichen Misstimmung, seit ich hier bin und konnte mich nicht beherrschen. Zudem meinte Pf. Ehlers ich müsste baldigst antworten. – Eine Woche später sah ich meinen Fehler ein, liess von Pf. Carusa das Manuscript zurückkommen, änderte aber fast garnichts und schickte es wider ab. Ich wollte Pf. Ehlers nicht um Rat fragen und zu Ihnen || es schicken, das konnte ich doch nicht. Künftig werde ich Ihren Rat beherzigen und nichts wider in der Uebereilung tun. Ich habe Angst, ob mein Kolleg wird besucht werden. Die Professoren lesen hier so viel, sodass man kaum eine Stunde findet, wo die Studenten frei sind. Zudem liest Pf. Ehlers 7 Stunden (oft in anderen Semestern 8 oder mehr) und 4 St. Praktikum. Das eine Kolleg über „Lebensgewohnheiten und Kunstfertigkeiten der Tiere“. Da nun hier Vormittags überhaupt ein Dozent nicht lesen kann, so bin ich auf die Nachmittage angewiesen. Ebenso ist es mit Dr. Brock, der 3 Stunden liest. Da nun Pf. Ehlers || das genannte Kolleg privatim Nachmittags zweimal liest, bin ich auf 4 Tage angewiesen, da an den b Tagen, wo Ehlers liest, das Auditorium zum Vorbereiten besetzt ist und Sonnabend Reinigungstag ist. So wird mein Kolleg mit dem des Physikers collidiren, zu welchem des Examens wegen, alle Studenten der Naturwissenschaft gehen.

Da hatten es Pf. Hertwigs besser, da Sie ja nur wenige Stunden lasen und Entwicklungsgeschichte usw. für sie übrig bleib.

Meine Frau lässt vielemals für die liebenswürdigen Wünsche danken!

Ich bitte uns Ihrer Frau Gemalin zu empfehlen und das häufige Schrieben nicht übel zu nehmen

Ihrem dankbaren ergebenen

Otto Hamann

a irrtüml.: Karus; b gestr.: genannt

Brief Metadaten

ID
30875
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
10.10.1883
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30875
Zitiervorlage
Hamann, Otto an Haeckel, Ernst; Göttingen; 10.10.1883; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_30875