Wilhelm Haacke an Ernst Haeckel, Christchurch, 18. Oktober 1881

Christchurch, N. Z. | d. 18. October 1881.

Hochverehrter Herr Professor!

Grosse Freude hat mir Ihr Brief gemacht, welchen ich als ersten und bis jetzt einzigen in Beantwortung eines von mir aus Neuseeland geschriebenen Briefes erhielt. Herzlichsten Dank dafür! – Ich habe schon vor einiger Zeit einen längeren Brief an Sie abgeschickt, jedoch zu spät, als dass er Sie noch in Jena erreicht haben könnte, weshalb ich das wesentliche seines Inhaltes jetzt wiederholen will. – Mir geht es gut und vorläufig bin ich befriedigt. Ich bin seit Anfang August Assistent am „Canterbury Museum“ hier in Christchurch, dessen Director Professor Dr. Julius von Haast, also ein deutscher Landsmann || ist, in welchem ich einen warmen Freund und Berather gefunden habe. – Bei meiner Landung in Neuseeland sah es freilich schlimm aus, weil ich nur noch ein paar Schillinge in der Tasche hatte; zum Glück sah ich anständig aus und hatte ich einiges Gepäck, somit würde man mich wohl nicht in ein Hotel aufgenommen haben, ohne zu fragen, ob ich auch bezahlen könne. Ich hatte von Huxley eine Empfehlung an seinen Schüler und früheren Assistenten Prof. Parker (Sohn von William Kitchen Parker) in Dunedin, die ich gleich am ersten Tage abgeben konnte, worauf Parker, der mich selbst am Museum zu Dunedin, dessen Director er ist, nicht beschäftigen konnte, an Haast und einige andere Leute in der Colonie schrieb. Auch ich || schrieb einige Briefe, und Haast an den ich schon zweimal von Kiel aus geschrieben hatte, schickte mir zunächst etwas Geld. Dann hatte Parker Geld zum Anfertigen botanischer Wandtafeln bekommen, was ich natürlich gern übernahm, und inzwischen hatte Haast die Erlaubniss zur Anstellung eines provisorischen Assistenten erhalten, so dass ich ohne alle Unbequemlichkeiten meine Neuseeland-Carriere beginnen konnte. In Dunedin, wo ich sieben Wochen blieb, wohnte ich zudem die letzten vier Wochen in einer netten deutschen Lehrerfamilie, Dr. Bülau aus Hamburg, einem früheren Schüler und Collegen von Moebius (von Hamburg her) und Verwandter von Dr. A. H. Meyer in Kiel. Auch traf ich unter den Professoren an der Universität zu Dunedin einen braven deutschen Landsmann vom Hartz, Prof. Ulrich, der selbst mit Karrenschieben und || Goldgraben in Australien angefangen hat und jetzt Geologie lehrt; er hat früher die Bergakademie in Clausthal besucht. Ich habe aber überall eine überraschend freundliche Aufnahme gefunden, was ich ausschliesslich Ihren warmen Empfehlungen zu danken habe. – Die Pflege der Wissenschaften in Neuseeland wird von dem „New Zealand Institute“ betrieben, das in den Hauptorten aller Provinzen Zweige hat; im „Otago Institute“ in Dunedin hielt ich vor einem zahlreichen Publikum eine populären Vortrag über die Entwickelung der Discomedusen (Aurelia, Pelagia etc.) und ihre Bedeutung für die Descendenztheorie, und zwar deshalb, weil die letztere der Gegenstand heftigen Streites in Neuseeland gewesen war und noch ist. Dieser Streit war entstanden durch die im Anfang d. J. gehaltene Antrittsvorlesung von || Professor Parker, der den Darwinismus zum ersten Mal öffentlich und officiell in Neuseeland auf seine Fahne geschrieben trug. Die ganze Geistlichkeit und ein sehr grosser Theil der Laien ist dadurch in Aufruhr gerathen, und jene Vorlesung hat jetzt eine ganze Litteratur aufzuweisen. Auch mein Vortrag veranlasste einen der eifrigsten „Anti-evolutionists“, einen Prediger, der ihn mit anhörte, gegen die Entwickelungslehre zu sprechen, führte mir aber andererseits eine Anzahl neuer Freunde zu. Ihr Name ist hier wohlbekannt durch die englische Übersetzung der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“, die bei vielen Leuten wahrhaftes Entsetzen hervorgerufen haben soll. – –

Ich sehe leider eben, dass ich diesen Brief spät begonnen habe, um ihn noch vor Abgang der nächsten Post nach Indien vollenden zu können; ich will des-||halb hier abbrechen und die Fortsetzung acht bis vierzehn Tage später schicken; denn ich habe noch manches zu schreiben. Vorläufig herzlichsten Dank für das warme Interesse, mit welchem Sie mein Schicksal begleiten! Es geht mir so gut, wie es unter den obwaltenden Umständen nur irgend zu wünschen war; daran ist, trotz aller „anti-evolutionists“, mein Lehrer und väterlicher Freund Ernst Haeckel schuld, dem a nebst herzlichsten Grüssen die besten Wünsche für den Erfolg der Ceylon-Expedition darbringt

sein Schüler

W. Haacke.

a gestr.: ich

Brief Metadaten

ID
30592
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Neuseeland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großbritannien
Datierung
18.10.1881
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
6
Umfang Blätter
3
Format
13,3 x 21,6 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30592
Zitiervorlage
Haacke, Wilhelm an Haeckel, Ernst; Christchurch; 18.10.1881; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_30592