Wilhelm Haacke an Ernst Haeckel, Kiel, 16. April 1880
Kiel, d. 16. April 1880.
Hochverehrter Herr Professor!
Leider muss ich jetzt zugeben, dass ich Ihnen in meinem letzten Briefe zu viel versprochen habe. Trotza vielfacher Bemühungen ist es uns unmöglich gewesen, lebende Strobilen zu bekommen. Ich habe Ihnen deshalb einige früher gesammelte Exemplare geschickt. Auch Ihr Wunsch nach zu verschiedenen Jahreszeiten gesammelten Scyphistomen konnte nur höchst ungenügend befriedigt werden. Die beiden Sendungen, welche ich Ihnen machte, enthielten vielleicht einiges brauchbare; zu ferneren ähnlichen Sendungen bin ich, wie immer, bereit. || Sollten Sie noch lebende junge Medusen wünschen, so bitte ich um kurze Mittheilung, da ich nicht weiss, ob Sie gegenwärtig in Jena weilen.
Prof. Möbius und unser Präparator sind gegenwärtig in Berlin, wo wir uns an der Fischerei-Ausstellung betheiligen.
Mein Staatsexamen habe ich glücklich bestanden; die Stelle in Bonn habe ich jedoch nicht bekommen, deshalb bleibe ich wenigstens noch diesen Sommer in Kiel. Meine Stellung hat sich etwas gebessert, da ich Weihnachten 150 Mark Zulagen bekommen habe und von Mai an auch freie Wohnung erhalte.
Im letzten Jahre hat hier bei uns ein Oberstabsarzt a. D., Dr. Lembcke, gearbeitet. Da derselbe wahrscheinlich in diesem Semester zu Ihnen kommen wird, so möchte ich Ihnen denselben angelegentlich empfehlen. Ich habe sehr intim mit ihm verkehrt und dabei seinen Kenntnissreichthum und seine Liebenswürdigkeit schätzen gelernt. Er führt aber ein menschenscheues Junggesellenleben und scheint in hohem Grade hypochonder zu sein; vielleicht nimmt sich Ihr Assistent seiner etwas an; ich hoffe, die jenenser Luft wird ihm gut thun.
Mit freundlichen Gruss
Ihr
W. Haacke.
a korr. aus: trotz