Wilhelm Haacke an Ernst Haeckel, Kiel, 1. März 1880
Kiel, d. 1. März 1880.
Hochverehrter Herr Professor!
Nach Durchlesen Ihres Briefes, den ich heute Morgen empfing, habe ich gleich die nöthigen Vorkehrungen getroffen, um Sie bald in Besitz des gewünschten Untersuchungsmaterials zu setzen. Leider kann ich nicht mehr selber an Fangen, Conserviren, Versenden der Sachen theilnehmen, da ich morgen nothgedrungen noch für mich arbeiten muss und übermorgen früh bereits nach Göttingen abreise. Ich habe aber mit Herrn Prof. Möbius gesprochen, welcher unsern Präparator veranlasst hat, alles nöthige zu besorgen. Alle gegenwärtig frischa zu bekommenden Entwickelungsstudien von Aurelia und Cyanea – die Unterscheidung ist uns leider nur bei vorjährigen Exemplaren möglich – sollen Sie gut conservirt erhalten. Die Conservation soll nach Ihrer Vorschrift ausgeführt werden; sollten Ihnen dennoch die || zu übernehmenden Exemplare nicht gut genug erhalten sein, so bittet Prof. Möbius, der in solchen Dingen sehr penibel ist, um genaue Bezeichnung der Reagentien (z. B. was für eine Carminlösung anzuwenden ist). Wir wollen vor der Hand Pithracarmin und die gewöhnlich gebräuchliche Carminlösung anwenden.
Sie sollen auch aus dem Vorrath unseres mit conservirten Ostseethieren geschäftemachenden Präparators noch weitere Scyphistomen, gut conservirt, erhalten. Ob er über die Zeit des Sammelns genauere Angaben machen kann, weiss ich freilich noch nicht; doch wird sich die Sammelzeit bis zu einem gewissen Grade angeben lassen. Unser Präparator ist ein armer Teufel, der mit seinem Gehalt nicht auskommt; ich bitte Sie deshalb, die Opfer, die derselbe Ihnen auferlegen wird, nicht zu scheuen.
Die Absendung der lebenden Sachen hat wegen anhaltenden stürmischen und regnerischen Wetters noch nicht erfolgen können. Ich bin heute wieder bei dem Mann gewesen, den ich damit beauftragt habe; derselbe meint, die Quantität Ost-bSeewasser, die er Ihnen mitschickte, würde für längere Zeit genügen. Sollten Sie ein grösseres Quantum wünschen, so bittet er, falls es in den nächsten Tagen nöthig wird, um Mittheilung an Prof. Möbius. Ich werde übrigens schon Mitte bis Endec nächster Woche wieder in Kiel sein; hat es bis dahin Zeit, so bitte ich um Mittheilung an mich.
Ich werde in Zukunft, was mir von jungen Acraspeden in die Hände fällt, für Sie mit Notierung des Datum conserviren. Ich habe dann mehr Zeit; unter den bisherigen Umständen – fünf Stunden täglich im Institut sitzen müssen und auf’s Staatsexamen arbeiten ausserdem – habe ich mir nur selten die Zeit gönnen können, nach den Vorkommnissen im Hafen zu sehen. || Auch war das Wetter selten günstig.
In Betreff des Eozoon-Artikels ist Möbius beruhigt; er hat noch gar nicht daran gedacht, Sie in eined Beziehung zu demselben zu bringen.
Meinem Examen-Fieber werden Sie die Flüchtigkeit meines Briefes zu Gute halten.
Herzlichen Gruss
W. Haacke.
a eingef.: frisch; b eingef.: Ost-; c eingef.: bis Ende; d korr. aus: einer