Richard Hertwig an Ernst Haeckel, München, 29. Oktober 1889

München d. 29. Oct. 1889

Hochverehrter und lieber Freund!

Heute habe ich durch die Buchhandlung Ihre „Schöpfungsgeschichte“ zugeschickt erhalten, für die ich Ihnen herzlichst danke. Alte Erinnerungen wurden dabei in mir wach an die vielfache Anregung und Belehrung, welche ich dem Buch bei seinem ersten Erscheinen verdankte. Noch mehr aber trat in mir die Erinnerung an die || schönen Stunden, in denen Sie im herzlichen Verkehr mich ganz für die bis dahin mir gleichgültige Zoologie begeisterten, in den Vordergrund. Und so ist denn auch meine Freude eine doppelte; ich freue mich daß das Buch Gelegenheit hat, sich in neuem der Fortschritt der Zeit angemessenen Gewand zu praesentiren. Noch mehr aber freue ich mich Ihretwegen. Es wird Ihnen eine große Genugthuung sein, auf die 1. Vorrede direct die 8. folgen zu lassen, und damit zu || erläutern, wie es damals war und was jetzt errungen ist.

Ihr Portrait ist diesmal im Vergleich zu früheren Auflagen vortrefflich geglückt. Es ist ein rechter Schmuck für das Buch.

In meiner Familie ging es bisher ganz ausgezeichnet; seit gestern hat sich leider der Schnupfenbacillus eingeschlichen und hat meine Frau bisher allein widerstanden; ich selbst und die beiden Kleinen haben dagegen daran glauben müssen; hoffentlich geht es bald || vorüber.

Die Ferien haben wir wieder in Berchtesgaden verbracht; als Ihr Walther uns besuchte, war meine Frau ganz vom Einpacken in Anspruch genommen, ich befand mich auf dem Institut. Leider konnte ich nicht in Erfahrung bringen, wo Walther abgestiegen war; ich war im Augsburger Hof, konnte aber keine Auskunft erhalten. Wenn er wieder einmal nach München kommt und uns nicht zu Hause trifft, bitte ich ihn seine Adresse zu hinterlassen. ||

Mein Aufenthalt in Berchtesgaden habe ich benutzt um Watzmann und Göll zu besteigen; meist habe ich aber an meinen Infusorienuntersuchungen gesessen. Die Arbeit ist jetzt gedruckt; ich hoffe daß ich noch in dieser Woche ein Exemplar Ihnen zusenden kann.

Daß Lang nach Zürich berufen worden ist, ist sehr erfreulich. Ist es sicher, daß Kükenthal sein Nachfolger in der Ritterprofessur wird? || Für den Fall daß Sie um einen Candidaten verlegen sein sollten, kann ich Ihnen Dr. Boveri als einen Zoologen von ganz außergewöhnlicher Befähigung auf’s Wärmste empfehlen.

Für die Besetzung der Jenenser Professur für Chemie haben sich die hiesigen jungen Chemiker sehr interessirt. Dr. Bamberger, welcher früher mein Fachgenosse war, hatte erfahren, daß er auch mit in Vorschlag || gewesen sei. Derselbe bat mich um Auskunft ob die Nachricht wahr sei. Vielleicht können Sie mir gelegentlich darüber schreiben.

Indem ich Ihnen nochmals für die Übersendung der Schöpfungsgeschichte danke und Sie und Ihre Familie zugleich auch im Namen meiner Frau herzlichst grüße, verbleibe ich

Ihr treu ergebener

R. Hertwig

Brief Metadaten

ID
30466
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
29.10.1889
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
12,5 x 20,0 cm; 12,4 x 20,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30466
Zitiervorlage
Hertwig, Richard an Haeckel, Ernst; München; 29.10.1889; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_30466