Oscar Hertwig an Ernst Haeckel, Bonn, 28. Dezember 1871

Bonn, d. 28sten December 71.

Hochgeehrter Herr Professor.

Durch die freundliche Zusendung der Separatabdrücke unsrer Arbeiten haben Sie uns eine recht große Freude bereitet und die Feststimmung an den Feiertagen um ein großes Theil vermehrt. Die Zeichnungen sind sehr zu unsrer Zufriedenheit ausgefallen. An unsere Eltern haben wir sogleich als nachträgliches Weihnachtsgeschenk zwei Exemplare abgeschickt und denken wir, daß ihnen dies das liebste Geschenk sein wird.

In Betreff der Vertheilung einzelner || Abdrücke werden wir Ihrem Rathe folgen und einige nach Kiel schicken. Für die Freundlichkeit, mit der Sie so manche Mühe für unsere Arbeit auf sich genommen haben, wiederholen wir Ihnen unseren wärmsten Dank.

Die Berufung des Herrn Prof. Gegenbaur nach Straßburg, hat uns auch in keine geringe Aufregung versetzt und sind wir sehr gespannt zu erfahren, welches seine Entschließung sein wird. Man scheint die tüchtigsten Kräfte nach Straßburg ziehen zu wollen und an der Grenze Frankreichs eine feste Stätte deutscher Wissenschaft zu gründen. Hier hat der Physiker Clausiusa ebenfalls || unter glänzenden Bedingungen eine Berufung dorthin erhalten, doch verlautet, daß er dieselbe nicht annehmen werde.

Wenn der Prof. Gegenbaur nach Straßburg geht und Sie nach Wien gehen werden, was wird dann aus Jena werden, das so plötzlich seiner besten Lehrer beraubt wird?

Die Entscheidung von Prof. Schultze ist immer noch nicht gefallen. Er wartet noch, welche Antwort ihm von Berlin auf seine Forderungen zu Theil werden wird. Vorigen Montag waren wir zu Mittag bei ihm eingeladen. Sein Bruder, Landgerichtsrath in Straßburg war bei ihm zu Besuch.

Für die Docenten der Naturwissenschaften || gibt es jetzt ein famoses Avancement und können sich alle freuen, die diesen günstigen Zeitpunkt mit benutzen können. In den letzten Tagen haben wir fleißig microscopirt (embryonale Gewebe an einem Rindsembryo und die Gewebe von Petromyzon, welche Prof. Schultze eingelegt hatte. Wahrscheinlich werden wir in der nächsten Zeit auch lebende Petromyzons aus Köln erhalten.

An den Herrn Prof. Gegenbaur bitten wir Sie in unserem Namen die besten Glückwünsche zu seiner Berufung aussprechen zu wollen.

Indem ich Ihnen und Ihren lieben Angehörigen von ganzem Herzen ein vergnügtes Neujahr wünsche, bleibe ich

Treu ergebener

Oscar Hertwig.

Besten Gruß von Richard.

An Bleeks werden wir die Grüße als Neujahrswünsche überbringen.

a irrtüml.: Claudius

Brief Metadaten

ID
30364
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
28.12.1871
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,5 x 21,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30364
Zitiervorlage
Hertwig, Oscar an Haeckel, Ernst; Bonn; 28.12.1871; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_30364