Ernst Krause an Ernst Haeckel, Berlin, 4. Dezember 1880

Berlin N. O. Friedenstraße 11. 3 Treppen

den 4.12.80.

Lieber Freund!

Vermuthlich sind Sie inzwischen von Ihrem großen Herbstausfluge längst zurückgekehrt, reich an neuen Einblicken in die unerschöpfliche Werkstätte der Natur im Meere, u. vor Allem neu erfrischt, um den unendlichen u. unerhältlichen Anforderungen Widerstand bieten zu können, welche Wissenschaft u. Leben beständig an Sie stellen. Ich wünschte sehr Ihnen freudigere Mittheilungen zu machen, als ich im Stande bin, allein ich halte es doch für nöthig, Sie von gewissen unangenehmen Ereignissen in Kenntniß zu setzen, die sich inzwischen ereignet haben. Der sonst immer von Liebenswürdigkeit triefende Herr Alberts hat nämlich, wie ich nachträglich von ihm erfahre, hinter meinem Rücken den Kosmos verkauft, u. zwar unter Bedingungen u.a Verabredungen, die das Partei-Interesse sehr erheblich tangiren. Dem Herrn Alberts hatte ich auf seine ewigen Klagen schon längst erwiedert [!], daß ich dem Kosmos, wenn er einginge, keine Thräne nachweinen würde, u. daraus hat er für sichb die Freiheit abgeleitet, daß er damit machen könne, was er will. Er hat nun den Kosmos an Koch in Stuttgart verkauft u. dieser will eine Wochenschrift unter Hellwalds Leitung daraus machen!

Dies ist mir nun vor Allem deshalb im höchsten Grade unerwünscht, weil Hellwald, der ja ein prächtiger Umgangsmensch ist, auch nichtc die geringsten || Kenntnisse auf den Gebieten der allgemeinen Naturwissenschaft Astronomie, Chemie, Physik, Geologie, Botanik u. Zoologie besitzt, u. der Sache unberechenbaren Schaden zufügen wird. Es ist ein wahres Verhängniß, was sich an den Kosmos geknüpft hat. Erst die Verbindung mit Caspari u. Jäger, dann der Buchhändler, dem es am Besten fehlte, worunter ich hier nicht das Geld, sondern die gehörige Umsicht u. Energie verstehe, u. schließlich nun diesen gemeinen heimlichen Verkauf.

Da mich das Verfahren des edlen Alberts nicht wenig empörte, so hatte ich anfangs Lust, die Monatsschrift in derselben Form d u. mit denselben Mitarbeitern in einem andren Verlage weiter herauszugeben, um damit die Koch’sche Spekulation zu Schanden zu machen, allein es würde sich dafür nur schwierig ein Verleger finden lassen; zu Mindesten habe ich Alberts damit gedroht, u. bin begierig, was er darauf antworten wird. Es würde mir in der That auch weniger darum zu thun sein, dieses Partei-Journal in infinitum zu conserviren, sondern es läge mir nur daran, die unheilvolle Combination der Hellwald’schen darwinistischene Wochenschrift zum Wanken zu bringen. Denn wenn ich mich erinnere, welche haarsträubenden Geschichten das Ausland selbst auf Hellwalds Specialgebiete, der Ethnologie beständig zu Tage förderte, so habe ich einen Vorgeschmack dessen, was er auf dem darwinistischen leisten wird. Zwar bin ich vollkommen sicher, daß keiner unserer bisherigen ausgezeichneteren Mitarbeiter, wie Fritz Schultze, Fritz u. Hermann Müller, Günther, die Schwenkung mitmachen wird, – Prof. Günther hat mir wiederholt seinen besonderen Widerwillen gegen Hellwald’s Art ausgedrückt – aber die Fehler werden immer der Partei zur Last fallen, u. sie werden nicht gering sein, da Hellwald ja seit Jahren der getreue Schildknappe Jägers gewesen, u. dem gesammten Blödsinn desselben die Spalten des Auslands stets bereitwillig geöffnet hat. Da er mit Caspari, Zacharias u. s. w. ebenso intim ist, so kann || das eine nette Mischung werden, u. ich glaube, es würde eine nützliche Vorsicht sein, wenn Sie u. Darwin sich von der neuen Combination mit Entschiedenheit lossagten. Mir wird erst jetzt klar, warum Alberts, seit langer Hand vorbereitend, darauf drang Ihre beiden Namen vom Titel zu bringen, jedenfalls in der sichern Voraussetzung, daß Sie dieselben dem Wochen-Kosmos doch nicht lassen würden. Doch genug von diesem schmachvollen Ende!

Wie ich heut gelesen habe, soll Jäger ein schreckliches Unglück zugestoßen sein –Überfahrt beider Beinef durch einen Eisenbahnzug, in Folge g deren das eine Bein amputirt werden soll – hoffentlich ist es nicht so schlimm. Auch von Fritz Müller aus Amerika sind trübe Nachrichten bei seinem Bruder eingetroffen; er hat durch eine Überschwemmung zu leiden gehabt, die das ganze Itajahy-Thal verwüstet hat. Inzwischen scheint er doch schon wieder darüber hinaus zu sein; denn er hat mir schon nachher – die Überschwemmung fand am 6h Oktober statt – ein paar seiner kleinen, immer sehr interessanten Beobachtungen gesandt.

Doch ich will mit meinen Unglücksbotschaften schließen u. nur die Bitte hinzufügen, daß Sie mir recht bald erfreulichere Nachrichten über Ihr Befinden u. Ihre Erfolge geben möchten.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

stets ergebener

Ernst Krause.

a korr. aus: di; b korr. aus: dich; c korr. aus: dicht; d gestr.: aber; e eingef.: darwinistischen; f korr. aus: Beide, g gestr.: welcher; h korr. aus: 8

Brief Metadaten

ID
29459
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
04.12.1880
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29459
Zitiervorlage
Krause, Ernst an Haeckel, Ernst; Berlin; 04.12.1880; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_29459