Ernst Krause an Ernst Haeckel, Berlin, 25. März 1879

Berlin N. O. Friedenstr. 10. II.

den 25.3.79.

Lieber Freund!

Mit Ihrer soeben empfangenen Sendung haben Sie mir eine so freudige Überraschung bereitet, daß ich meinen Augen kaum zu trauen wagte. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen dafür, u. wünsche nur, daß man es Ihnen nicht allzusehr verübeln möge; für mich wird das Buch zu den werthvollsten Zierden u. Erinnerungen meiner Sammlung von Liebeszeichen gehören, in der sich schon eine so große Anzahl Ihrer Werke befindet.

Wahrhaft erschreckt hat mich dagegen die Buchhändler-Anzeige auf der letzten Seite des Umschlages. Wenn man auch unsern Freund nicht für das verantwortlich machen kann, was Andere thun, kann ihm doch diese Anzeige sehr schädlich werden; ich will gleich an ihn schreiben, um ihn darauf aufmerksam zu machen, u. ihn zu bitten, in irgend einer Weise dagegen zu remonstriren, um sich dadurch eventuell decken zu können.

Ob ich Ostern die Freude haben werde, Sie in Potsdam begrüßen zu können, ist mir leider nicht wahrscheinlich. Ich habe eben wieder einen heftigen Bronchial-Katarrh durchgemacht, u. gedenke, sobald das Wetter milder wird, auf einige Wochen entweder zu meiner Mutter oder zu einer verheiratheten Schwester zu gehen, die beide in kleinen Städten wohnen, um mich dort bei Gartenluft u. Ruhe zu erholen. Trotz täglicher kalter Bäder u. Bewegung in freier Luft kann ich die Neigung zu Erkältungen nicht überwinden, u. bin mir der beste Beweis gegen die Wollen-||Theorie Jägers u. die Behauptungen der Hÿgieniker daß man sich mit kalten Bädern u. Abreibungen bombenfest machen könne. Freilich kann ich nicht behaupten, daß es nicht ohnedies noch schlimmer sein a könnte. Ich denke den halben Sommer in den Alpen zuzubringen, denn davon scheine ich den meisten Vortheil zu haben, u. die Nachlässigkeit, b welche ich dadurch begangen habe, daß ich den vorigen c Sommer zu Hause blieb, hat mir im Winter viel zu denken gegeben. Sie sehen der Handschrift u. dem Inhalte wohl an, daß ich im Kopfe u. Körper noch sehr angegriffen bin; es war mit heftigem Fieber u. Appetitlosigkeit verbunden, u. erst seit wenigen Tagen bin ich wieder im Stande einen Brief zu schreiben.

In den letzten Tagen u. Wochen habe ich eined lebhafte Correspondenz mit Darwin gehabt, der meinen Essaÿ über seinen Großvater in’s Englische übersetzen zu lassen beabsichtigt, u. dazu eine längere Einleitung mit specielleren Familien-Nachrichten u. Briefen hinzufügen will. Wie ich schon vorher vermuthet hatte, ist ihm selbst die Tragweite mancher Ideen seines Großvaters nicht bekannt gewesen, da er dessen Werke in spätern Jahren nicht mehr gelesen hatte, u. die Veröffentlichung in Form eines kleinen Buches mit Lichtdruck-Portrait erscheint um so mehr am Platze, als es verschiedene nicht eben freundliche Schriften über Erasmus Darwin giebt, die ihn als traurigen Phantasten hinstellen, u. außerdem eine Rede, die – wenn auch versteckt – darauf hindeutet, daß die Darwin’sche Theorie nur aufgewärmter Kohl aus der Weisheit des alten Erasmus sei! Ich hatte gleich, als ich dessen Schriften las, das Gefühl, daß Ähnliches von gegnerischer Seite einmale geschehen würde, aber ich wußte nicht, daß es schon (1861) geschehen sei, desto nothwendiger wird eine ruhige Darlegung f des || genauen Sachverhaltes sein. Darwin hat mir dazu weitere Materialien gesandt, die ich sobald ich mich wohler fühle, zu einer Neubearbeitung benutzen werde.

Mit vielen herzlichen Grüßen u. dem innigsten Danke!

Ihr

treu ergebener

Ernst Krause

a gestr.: würde; b gestr.: des letz; c gestr.: Sonnaben; d irrtüml.: eine eine; e eingef.: einmal; f gestr.: sein

Brief Metadaten

ID
29448
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
25.03.1879
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
22,4 x 14,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29448
Zitiervorlage
Krause, Ernst an Haeckel, Ernst; Berlin; 25.03.1879; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_29448