Krall, Karl

Karl Krall an Ernst Haeckel, Elberfeld, 27. Juli 1918

KARL KRALL

ELBERFELD, den 27.7.18.

ROONSTRASSE 54

Euer Exzellenz

danke ich verbindlichst für den liebenswürdigen Brief, dessen Inhalt mich sehr interessiert hat. Ohne Ihre Mitteilung würde ich nichts von den Vorgängen in Jena erfahren haben. Ist in den dortigen Zeitungen etwas darüber – in zustimmendem oder ablehnendem Sinne – erschienen? Es würde mich interessieren, wie sich die sogenannte, durch die Zeitung verkörperte „Oeffentlichkeit“ zu der Frage stellt.

Die Idee, eine neue Professur für allgemeine Entwicklungslehre zu gründen, findet meine ganze Teilnahme. Doch bewegt sich hier leider das Interesse an naturwissenschaftlichen Dingen – wenigstens in unsern begüterten Kreisen – um den Nullpunkt herum. Ich habe schon früher versucht, den ein oder andern für wissenschaftliche Untersuchungen meiner Freunde in Berlin zu interessieren, aber stets – vergeblich. Ich selbst habe naturgemäss für die Durchführung meiner Untersuchungen Opfer gebracht, die dem Fernerstehenden märchenhaft erscheinen müssen. Gerade die Versuche mit Pferden sind so überaus kostspielig. Ich hegte damals die Absicht, auf neutralem Boden ein internationales Institut zu gründen etwa nach dem Vorbilde der Neapler Zoologischen Station. Hier sollten dann die Versuche in grosszügiger Weise unter Beteiligung der Gelehrten aller Länder weitergeführt werden. Pläne und Entwürfe waren schon gemacht. Um so mehr widmete ich mich damals dieser Zukunftsaufgabe, als es mir leider nicht gelingen wollte, einen Jünger und Nachfolger zu erziehena.

Diesen Umstand habe ich stets am meisten bedauert. Mit der Teilnahmslosigkeit der grossen Welt, auf die Feindschaft der Gelehrten hatte ich gerechnet, aber ich hegte doch die felsenfeste Ueberzeugung, dass sich unter den 60 Millionen Deutschen ein paar Jünglinge finden würden, die meine Versuche mit Verständnis und Hingabe – unter meiner Anleitung – weiterführten. Die Lorbeeren waren damals billig wie Brombeerenb, denn || welch neue Probleme taten sich nicht auf diesem Neuland auf! So bleibt mir denn nichts anderes übrig, als nach Kriegsschluss den zweiten Teil meiner Entdeckungen zu veröffentlichen, und die ganz überraschenden, auf einem völlig andern Gebiet liegenden Ergebnisse durch neu unterrichtete Tiere – in diesem Falle Hunde – beweiskräftig zu belegen. Mit der Abfassung dieses zweiten Bandes bin ich zur Zeit beschäftigt. Ich habe mir erlaubt, Euer Exzellenz von diesen Zukunftsplänen zu sprechen, um darzutun, wie sehr meine Kraft und auch die pekuniären Mittel durch meine Studien noch andauernd in Anspruch genommen sind.

Eigentümlich ist es mir selbst in Bezug auf meine Stellung zur Entwicklungslehre ergangen, gerade durch meine Versuche, und ich würde mich schon längst gerne, sehr geehrter Herr Professor Haeckel, bei der überaus schwierigen Beantwortung der hier neu auftretenden Fragen an Ihren Rat und Ihre Erfahrung gewandt haben, wenn ich nicht immer befürchtet hätte, Sie mit meinen Fragen und Zweifeln zu belästigen. Es würde mich aber doch sehr freuen, wenn Sie mir zu diesen Mitteilungen Erlaubnis geben möchten.

Zum Schluss noch eins. Wir haben hier einen Photographen, der in seinem Fach in Bezug auf Vergrösserungen Künstler ist. Vor kurzem habe ich von Ostens charakteristischen Kopf in Ueberlebensgrösse darstellen lassen für zukünftige Geschlechter, und das Bild ist wundervoll gelungen. Denselben Wunsch hege ich für Ihre mir so ehrwürdigen Züge. Nun besitze ich ja ein wunderbares Bild von Ihnen mit der für mich so wertvollen Widmung. Aber es zeigt Ihren Kopf im Profil auf die Hand gestützt, während ich mir dieses Bild mit dem Blick geradeaus denke. Ich bitte Euer Exzellenz einmal zu prüfen, welches charakteristische, besonders scharfe und nicht zu kleine Vorbild sich hierzu eigenen würde, um dessen Uebersendung ich dann freundlichst bitten möchte. In der Hoffnung, dass es Ihnen, verehrter Herr Professor, so weit gut geht, verbleibe ich wie stets

Ihr freundschaftlich ergebener

Karl Krall.

a korr. aus: erzieben; b korr. aus Brommbeeren

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.07.1918
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29362
ID
29362