Ernst Koerner an Ernst Haeckel, Berlin, 15. Februar 1917

PROF. ERNST KOERNER

BERLIN N. W. 23, DEN 15. Februar 1917

KLOPSTOCK STR. 55

Euer Excellenz!

Mein lieber, verehrter Freund!

Wieder ist ein Lebens und Kriegsjahr verflossen und Sie lassen weithin durch Deutschlands Gaue, als getreuer Eckehart, Ihren Ruf gegen das perfide Albion erschallen. Zu diesem kraftvollen Alter und für noch viele Jahre in solcher Frische meinen herzlichsten Glückwunsch!

Aus Ihrem lieben Schreiben zu meinem 70 Geburtstage habe ich zu meiner Freude er-||sehen, daß nun eine liebe Enkelin Ihren Haushalt leitet und in dieser schweren Kriegszeit gewiß fürsorglich über Ihrem Wohl wacht.

Auch ich kann mich nicht beklagen, wenn auch mal, wie jetzt 14 Tage hindurch meine Centralheizung ohne Koks kalt stehen mußte und ich mein Bett in mein Badezimmer stellen ließ, woselbst ein Gasofen für Wärme sorgt, so ist dies gestern mit dem Eintreffen des Feuerungsmateriales überwunden und ich kann nun diese Zeilen wieder in || meinem Atelier schreiben und auch endlich die mir so liebe Arbeit an meinen Bildern wieder beginnen!

Ein Blick auf die sonnig beleuchtete Akropolis, dahinter der tiefblaue Himmel Griechenlands, im Vordergrund ein Wolkenschatten, steht auf meiner Staffelei. Dies schöne und jetzt so scheußlich gequälte Fleckchen Erde wollte mir gar nicht aus dem Sinn und ich hatte das Bedürfnis, auch Anderen zu zeigen, welche Herrlichkeit dort geknechtet wird!

Freudigere Empfindungen verknüpften sich mit dem andern, || begonnenen Bilde: Ein goldiger Abend, der sich über dem alten Stambul und dem Goldenen Horn ausbreitet, vom alten Serail aus gesehen.

So lebt man in der Gegenwart und doch auch in der schönen Vergangenheit, in der unsere alte Freundschaft entstand!

Meine Söhne sind, wie ich schon neulich schrieb, in der Heimat tätig, Otto im Kriegsministerium, Bernhard im Heroldsamt und Ludwig als Verwalter des Rittergutes Groß-Schoritz bei Garz auf Rügen, wo Ernst Moritz Arndt geboren ist. Die Volksernährung ist jetzt ebenso wichtig wie der Kampf im Felde.

Also nochmals ein frohes tatenreiches neues Lebensjahr in bester Gesundheit!

Mit herzlichen Grüßen

Ihr freundschaftlich ergebener

Ernst Koerner

Brief Metadaten

ID
28891
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
15.02.1917
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,7 x 21,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 28891
Zitiervorlage
Koerner, Ernst an Haeckel, Ernst; Berlin; 15.02.1917; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_28891