Martinikenfelde den 6ten Mai 1889.
Mein lieber olÿmpischer Freund!
Wie Sie mir beim Erklimmen des Götterberges immer voran waren und wie ein Sohn des Olympos graden Weges zur Spitze eilten, so schreiten Sie auf den Höhen menschlichen Wissens und Könnens voran; aber wie damals rufen Sie dem Nacheilenden einen freundlichen Gruß zu und verkünden von der Umschau, welche Sie von Ihrem erhöhten Standpunkte halten. Mit wahrem Staunen betrachte ich Ihr Werk von den Siphonophoren. Für uns, die wir nur mit dem Schein der || Dinge uns befassen, ist schon die malerische Darstellung dieser submarinen Wunderthiere eine bewunderungswürdige Leistung; wenn man jedoch bedenkt, daß Sie nicht den Schein sondern die Wahrheit suchen, daß die Darstellung nur der Ausfluß der Forschung ist, da muß ich gestehen, ergeht es mir wir es dem Taucher in Schillers Ballade beim Anblicke solcher Gethiere ergangen ist.
Wenn Sie mich in Ihrer freundlichen Zuschrift auch zu Ihrem Ehrendoctor machen, in diese wissenschaftlichen Tiefen vermag ich Ihnen doch nicht zu folgen; aber das weiß ich zu erkennen, daß Sie in liebenswürdigster Freundschaft meiner gedenken und a daß dies erhebende Gefühl mich zu || warmem, aufrichtigen Danke verpflichtet.
Was Ihr kleiner Verehrer, mein naturwissenschaftlicher Secundaner, für Augen machte als die Mappe sich öffnete, können Sie sich denken. Was macht Ihr junger Künstler?
Was mich betrifft, so stecke ich wieder bis über die Ohren im Orient, ein Nachglühen am ägÿptischen Abendhimmel habe ich begonnen, welches mir wieder den Zweifel Vieler, aber wie ich hoffe, Ihre Zustimmung bringen wird.
Mit den herzlichsten Grüßen von meiner Frau und den Kindern, auch von dem kleinen Täufling, || dessen Fest Sie leider nur beinahe mitgemacht hätten, sage ich nochmals den verbindlichsten Dank und bitte auch Ihrer lieben Gattin und der ganzen Familie unsere schönsten Grüße auszusprechen in der Hoffnung, dieselben recht bald von eigenem Augenschein kennen zu lernen.
Ihr
alter Landschaftscollege
Ernst Koerner
a gestr.: ich