Wilhelm Kühne an Ernst Haeckel, Berlin, 9. November 1862

Berlin den 9ten November 62.

43. Kanonierstrasse.

Mein lieber Haeckel

Gestern war Ihr liebenswürdiger Herr Papa persönlich bei uns im pathologischen Institute und überbrachte mir Ihre inhaltsschweren Schreiben. Hören Sie also meinen Rath: Schicken Sie Ihr Buch direct, nicht durch den Buchhändler, an M. Milne Edwards (Jardin des Plantes), und ersuchen Sie diesen Ihre Arbeit zum concours vorzuschlagen. Dabei muß es für ihn zweifelhaft bleiben, ob das Geschenk für ihn oder die Academie bestimmt sei. Sie bestimmen dann auch das beifolgende Résumé, (an welchem ich Nichts zu ändern finde) || für Milne Edwards, fügen aber noch ein zweites hinzu für die Academie, das nur die neuen thatsächlichen Entdeckungen enthält, und in das Comptes rendus nicht mehr als 2 Seiten einnehmen darf. Ihr Gönner wird sich dann sehr geschmeichelt fühlen, wird bis an die Grenzen seines Gewissens gehen, d. h. das Buch für sich behalten, und dasselbe in der Academie viel wärmer befürworten, als wenn er verdammt wäre den Schatz in der academischen Bibliothek ausschließlich bewundern zu müssen. Sie sind, wie ich sehe, ein so guter Franzos, daß Sie wohl die passenden Worte zu einem Briefe selbst finden werden. Zudem halte ich es für besser, wenn Sie den Brief nicht allzu kurz machen, und darin etwas auf Ihre eigenen || und des Adressaten zoologischen Leistungen eingehen, was ich wegen Mangela an Sachkenntniß nicht kann. Kommen Sie damit nicht zu Stande, so schreiben Sie mir wieder, und ich mache Ihnen dann das Ding zurecht. Sie können in dem Briefe sich auf mich beziehen, womit Sie sich nicht etwa empfehlen sollen, sondern nur eine Grantie gewinnen, daß der Mann Ihren Auftrag auch wirklich ausführt.

[Zeichnung]

So! nun eine Bitte an Sie! Was ist das für ein Wurm, Ich fand denselben im Innern eines isolirten noch lebenden Muskelprimitivbündels vom Frosch, worin er sich wie in einer Flüssigkeit bewegte. Da ich eine Notiz darüber veröffentlichen werde, so liegt mir an der Bestimmung des Biestes. ||

Wissen Sie schon, daß ich Max Schultze in London getroffen habe. Das war ein angenehmes Wiedersehen. In Paris war es aber doch noch schöner; ich habe dort alle meine Lieben wieder gesehen, und auch zuweilen an Sie gedacht. In England, namentlich außerhalb London, war es jedoch auch so übel nicht, ich stand sogar schon auf dem Punkte mich mal zu verloben, hab es aber doch noch gelassen, als der Verstand Oberwasser bekam.

Daß ich bei Ihrer Hochzeit nicht zugegen war, ist ein eigenes Pech. Nun ich brauche wohl kaum noch zu gratuliren, das versteht sich ja von selbst. Grüßen Sie Ihre sehr verehrte Frau Gemahlinn [!], und sagen Sie Ihr, daß ich einen ungeheuren Respekt vor dero Marschfertigkeit besitze. Da ich nicht preußischer Landwehrmann bin, so werde ich wohl mit einer minder tüchtigen Frau auskommen; wenn sie nur das Fahren ertragen kann, bin ich schon ganz zufrieden.

Ihr freundschaftlichst ergebener

Kühne.

Grüßen Sie Bezold. Schultze etc. Ich konnte im vorigen Semester nicht mehr nach Jena kommen, da mein Papa in Paris auf mich wartete.

a korr. aus: mangel

Brief Metadaten

ID
28345
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Preußen
Datierung
09.11.1862
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
11,0 x 18,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 28345
Illustrationen
Zeichnung eines Wurms
Zitiervorlage
Kühne, Willy an Haeckel, Ernst; Berlin; 09.11.1862; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_28345