Krauseneck, Gustav Adolf

Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 27. Dezember 1907

Triest, am 27. December 1907.

Hochverehrter Freund!

Was ich seit längerer Zeit vorhabe, Ihnen wieder einmal einen Gruß zu senden, wird mir heute zur angemahnten Pflicht, da ich Ihnen zu danken habe für die große Freude, die mir die Übersendung Ihres „Menschenproblems oder Linné’schen Herrenthiere“ mit einem freundlichen Worte Ihrer lieben Hand bereitet hat. Das Titelbild sagt mir wohl, daß ich Sie einige Jahre nicht gesehen habe – Haar & Bart lassen Sie freilich älter aussehen als Sie sind – aber es läßt mich auch der Wunsch doppelt lebhaft fühlen, Sie bald einmal, da oder dort, aufzusuchen und durch neue persönliche Eindrücke das mir so unendlich werthvolle Bild, das ich von Ihnen in mir trage, zu vertiefen. Im vorletzten Sommer, da ich anfragte, ob ich Sie, als ich in Deutschland war, in Jena träfe, waren Sie schon in’s Bad gefahren und im letzten war ich mit meiner Frau in England & Schottland und auf der Heimreise dann durch vielfache Umstände sehr eilig. || Nun aber vor Allem, was ich bisher versäumt, meine herzlichste Gratulation zur Excellenz, eine Auszeichnung, die, wie die Welt nun einmal ist, auch Ihnen zur großen Ehre gereichen muß, weil sie an die Ritter vom Geiste doch nur dann gelangt, wenn diese die höchste Stufe des Ruhmes & der Anerkennung erstiegen haben. Sonst freilich ist die Gesellschaft, in die Sie damit gerathen, Ihnen nicht die angenehmste; denn, bei uns wenigstens, sind diese Höchstgestiegenen oft recht sonderbare Exemplare, die, weil eben die „Regierenden“ meist so heißen, vielfach an dem bekannten Oxenstierna Ihren Ausspruch mehren.

Sodann erlauben Sie mir meinen noch herzlicheren Glückwunsch zu dem schönen Gelingen Ihres schönen Werkes, des Phyletischen Museums, das ich wohl zu besuchen auf das lebhafteste wünsche.

Als äußeres Zeichen meiner & meiner Schwester Valentine regster Theilnahme an dieser Schöpfung ihres verehrten Freundes gehen unsere bescheidenen Beiträge zu dem noch offenen Fond für dieses Museum an das Rentamt der Universität, das in Ihrer Broschure beiligender Aufruf als || die Empfangsstelle dafür bezeichnet. –

Welch ein Gefühl mußt Du, o großer Mann, bei der Verehrung dieser Menge haben! möchte ich Ihnen wie Wagner zu Faust zurufen, wenn ich denke, wie Viele dieses schön gelungene Monument Ihrer großen Arbeit bewundern werden. –

Hier, in diesem abgelegenen Winkel, verehrter Freund, steht’s leider nicht gut um die Verbreitung der Ideen, die wir Ihnen danken. So bewahrheitete sich auch was ich Ihnen seinerzeit schrieb, als Sie mich den Aufruf zur Begründung des Monistenbundes mitunterschreiben ließen, daß ich der Sache sehr wenig würde nützen können. Es läßt sich kaum ein Verständniß finden für das Wesen der diversen Anschauungen, die die Geister in 2 Lager theilte; geschweige denn das Intresse für die eine. Und dazu lässt das Anschwellen der Macht der Demokratie, die ja praktisch doch der bestehenden Macht-& Güter-Vertheilung an den Kragen will, gar viele, die ihm innerlich fern stehen, in den Bannkreis der Prinzipien eintreten, die durch Ihre langen Bestand als die geeignetsten Schützer des bestehenden erscheinen und dadurch vor jedem gefährlichen Angriff gegen Kirche & Religion zurückschrecken. || Die Zeit wird kommen, die Ihrer Religion gehört; aber sie ist noch fern und entweder wird die Masse gewaltig sich zum Bessern umwandeln müssen, oder es werden immer nur wenige die Erlesenen sein, die darin Trost & Erbauung finden können. –

Aber weil ich die Macht Ihrer Gegner (der aus Dummheit, sowie der aus Opportunitätsgründen) für so bedeutend halte, bewundere ich umsomehr Ihren Kampfesmuth & Ihre jugendliche Kraft & Freude an diesem Kampf. Endlich aber auch meinen Glückwunsch zum Doctor jubil. Linnaeanus, den Sie sich in dem altehrwürdigen Upsala geholt, – ein neues Band der so wünschenswerthen und wohl schon gut eingeleiteten günstigen Verbrüderung Schwedens mit Deutschland.

Und nun noch unser Aller beste Wünsche zum Jahreswechsel für Sie & Ihre verehrte Frau Gemahlin & die Bitte um Erhaltung Ihrer uns so theuren Freundschaft.

Wir sind alle wohlauf. Meine Mutter freilich nur so, wie es im 86. Jahre möglich ist, wo der kalte Geselle immer vor der Thüre steht. Ich reise ziemlich viel. Im Winter waren wir in Aegypten & Hellas & im Sommer in London & Schottland. – Vielleicht führt Sie der Winter wieder südwärts & Sie lassen’s uns wissen?

In treuer Verehrung

Ihr

Gust. Krauseneck

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
27.12.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27814
ID
27814