Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 22. November 1906

Triest, am 22. Novemb. 1906

Hochverehrtester Freund!

Ich muß Sie heute mit einer Bitte belästigen, deren Erfüllung, wenn sie möglich, Ihnen gewiß nicht unangenehm sein wird. Sie dürften sich des verstorbenen Präsidenten des österr. Lloyds Baron Morpurgo erinnern, dessen Sie in Ihren herrlichen Indischen Reisebriefen in Worten Erwähnung, die heute noch seiner Familie zur Freude gereichen. Seine Witwe, eine geistvolle feingebildete Dame, die, obwohl katholisch geworden und dem Monismus nicht eben hold, für den Celébre Professeur, den Sie damals auch kennen lernte, heute noch schwärmt, lebt noch hier in ihrem prächtigen Palais mit dem einzigen Sohn, einem sehr destinguirten jungen Mann, früher Kavallerieoffizier, der seine Zeit und sein Geld angenehm verwendet & große Reisen macht. Wir sind mit Mutter & Sohn nahe befreundet und da beide sich mit ihrer Bitte nicht direkt an Sie wenden wollen, ersuchten sie mich, || sie Ihnen mitzutheilen. Baron Morpurgo will nächstens (in den ersten Decembertagen) eine Reise nach Indien antreten, um das Land – auch Ceylon – vielleicht auch Java –a kennen zu lernen. Er hat weder spezielle wissenschaftliche oder künstlerische Interessen, möchte aber doch möglichst viel sehen & da vor Jahren eine seinem Vater von Ihnen an dortige Persönlichkeiten gegebene Empfehlung von ganz besonderem Werthe war, so will er den Versuch nicht unterlassen, sich ebenfalls eine solche zu erbitten. Und das thue ich dann in seinem & seiner Mutter Namen, die Ihnen beide sehr dankbar dafür sein würden, wenn Sie es dadurch ermöglichen könnten, daß Baron Arthur Morpurgo dadurch in dortigen wissenschaftlichen Instituten, oder bei solcher Persönlichkeit nicht jedem Reisenden offenstehenden Zutritt erhielte. Daß ich Ihnen, hochverehrter Freund, persönlich für die Erfüllung der Bitte sehr dankbar wäre, bedarf keiner Versicherung; ebenso werden Sie es begreiflich finden, daß ich es nicht || abweisen konnte, diese Bitte an Sie zu richten & Ihnen die Mühe zuzumuthen, mir, wenn Sie in dem Lande, in dem Ihr Name so hoch steht, noch persönliche Beziehungen haben, ein Briefchen für Baron Morpurgo möglichst bald zukommen zu lassen. –

Lieber wäre es mir allerdings, wenn ich Sie für mich selbst um eine indische Empfehlung bitten könnte, aber soweit gehen meine Pläne noch nicht. Wenn ich, was ich plane auch ausführe, so werde ich im Winter zum Nil fahren, aber erst im März, weil mein Reisegefährte, mein lieber Freund Professor Wilhelm Grube (der Berliner Sinologe) erst dann abkommen kann. – Ich will noch sagen, daß Baron Morpurgo durch seine verwandtschaftlichen Relationen in Calcutta etc in den höchsten Kreisen sich bewegen wird, so daß möglicherweise auch er wieder Jemandem dort nützlich sein könnte, sodann daß er auf dem Gebiete der Zoologie vor allem andern, d. h. wohl ausschließlich, Jäger ist. –

Sehr beglücken würde es mich, bei diesem Anlasse || Gutes über Ihr Befinden und des der verehrten Ihrigen zu erfahren, gar nicht zu reden von weiteren, von Reiseplänen, die nach unseren Regionen peilen. –

Ihr Monismus & Naturgesetz ist eine klassische Abfertigung von Angriffen, die gegen Ihre Schriften gemacht wurden, ohne ihnen von ihrer Bedeutung aus ihrem Erfolge etwas zu nehmen. Neidlos wahrhafte & anerkannte Größe vertragen, ist aber Vielen leider nicht gegeben. An den Größten unsrer Zeit wagt man sich ja auch, aber es ist lächerlich Bismarck etwas von seiner Größe nehmen zu wollen. Doch heute will ich nicht Ihre werthvolle Zeit mit Betrachtungen belegen, da ich etwas davon mir ohnehin schon erbeten habe.

Von meiner Frau, Schwester, Mutter viel Schönes & Herzlichstes & in treuer & großer Verehrung

Ihr sehr ergebener

Gust. Krauseneck

a eingef.: vielleicht auch Java –

Brief Metadaten

ID
27812
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreichisch-Ungarische Monarchie
Datierung
22.11.1906
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
12,8 x 20,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27812
Zitiervorlage
Krauseneck, Gustav Adolf an Haeckel, Ernst; Triest; 22.11.1906; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_27812