Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 8. Oktober 1899

Triest, am 8. Oktober 1899

Verehrter Freund!

Wie jeder Ihrer Briefe bereitete mir auch Ihr gestern erhaltener aus Tivoli die größte Freude. Es war mir eine Entbehrung solange nicht von Ihnen selbst gehört zu haben; um so willkommener die Nachricht, daß Sie wohl und befriedigt sind von einer schönen, so vieles bietenden Reise und reichen Ausbeute für Ihre herrlichen Kunstformen und Ihre Künstlermappe. Ich hatte schon die Freude die Welträthsel zu sehen und mich an dem großartigen Werke zu erfreuen; wie erst werde ich mich nun bei größerer Ruhe zu Hause dieser Lecture hingeben und ich danke Ihnen herzlichst für die Zusendung, die ich mit großem Vergnügen erwarte. Darüber sagen kann ich noch nichts, da ich nur gelegentlich einiges davon gelesen; ich sah nur, daß Ihre Bewunderer und Verehrer darin vollauf finden, was sie nach so manchem Widerspruch erwarteten. ||

Ich denke mit größtem Vergnügen der mit Ihnen verbrachten Tage in Tivoli; es war jedoch 1893 nicht 1889; denn eben damals wurde von meinem Schwiegervater Ihre Büste für den 60ten Geburtstag modellirt. Ihre Mittheilungen über das Schicksal dieses Opus bedaure ich ungemein. Ich wußte nur leider – daß die Büste durchaus nicht gelungen war. Schon das Thonmodell stand durchaus nicht auf der Höhe so vieler Arbeiten Kopf’s und es war uns Krausenecks dies immer ein lebhafter Schmerz. Daß aber die Arbeit in Marmor dann noch weiter mißlungen sei, hatte ich wohl gehört, aber ich wußte nicht, daß sie entfernt und durch eine andere Büste ersetzt worden ist. So viel mir bekannt, weiß dies auch mein Schwiegervater nicht, wenigstens that er nie zu jemand von uns eine dahin gehende Äußerung. Er ist jetzt auch in Deutschland, soll aber am 12ten dieses || in Rom eintreffen und ich hoffe sehr, daß diese Affaire Sie nicht abhalten werde, ihn zu besuchen – Via Nazionale 243 – Er sprach oft in großer Bewunderung von Ihnen und ich glaube kaum, daß er selbst Ihre Büste für eine seiner gelungenen Arbeiten hält, wie ihn überhaupt ein ziemlich sicheres Urtheil über seine eigenen Werke auszeichnen soll. Wenn ihm die Entfernung seiner Arbeit von ihrem Platze & die Ersetzung durch eine andere nicht bekannt ist, so wird es ja vielleicht gar nicht nöthig, ihm diese unangenehme Sache Ihrerseits mitzutheilen. Ich werde es jedoch jedenfalls, sobald ich Gelegenheit habe, thun, damit vielleicht eine Überarbeitung stattfinden könne. –

Ich war einige Wochen am Rhein; ich mußte wegen eines leichten – anscheinend Gicht – Anfalles in Wiesbaden die Kur brauchen, konnte aber dann eine vorgehabte Rundfahrt, wobei Jena dickunterstrichen im Programm stand, wegen Zeitmangel nicht || mehr ausführen. Mein Mißvergnügen darüber ist nun gemildert, da ich erfahre, daß Sie nicht zu Hause gewesen wären und so hoffe ich, daß bei nächster Gelegenheit sich der ganze Plan um so besser werde ausführen lassen.

Sehr erfreut sind wir darüber, daß Lenbach Sie malen wird. Das kann wohl ein sehr großartiger Kopf werden & wird wohl auf einer Ausstellung zu sehen sein. Im Frühjahr sah ich die Lenbachs in Venedig, ganz herrliche Sachen, die dort großen Eindruck gemacht haben. –

Vor unsrer Rückkehr waren wir noch in Tirol – am Brenner, Valentine ist auch in Steiermark, & hat sich gut erholt. Meine Mutter & meine Frau tragen mir die besten Grüße auf und ich bitte mich auch Ihrer Frau Gemahlin bestens zu empfehlen. Mögen Sie von der bösen Schlaflosigkeit befreit zurückkommen und gestärkt sein zu all dem Großen, das Sie noch schaffen werden. In Verehrung & Freundschaft

Ihr ergebener

G Krauseneck

Brief Metadaten

ID
27799
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreichisch-Ungarische Monarchie
Datierung
08.10.1899
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
12,4 x 20,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27799
Zitiervorlage
Krauseneck, Gustav Adolf an Haeckel, Ernst; Triest; 08.10.1899; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_27799