Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, am 22. Dezember 1895

Triest, am 22. Decemb. 1895

Hochverehrter Herr Professor!

Vielen Dank für das „Lebenszeichen“, das Sie mit gewohnter Liebenswürdigkeit mir so bald zukommen ließen. Es ist doch eine unqualificiertere Leichtfertigkeit, derartige Nachrichten in die Welt zu setzen. Ohne im Geringsten zu zweifeln, daß sie nur auf solcher beruhen könne, war ich doch sehr in Sorge, daß mir eine wahre Nachricht über Ihr Befinden entgangen sein könne und demgegenüber darf ich meiner Freude Ausdruck geben über das, was Sie mir darüber sagen. Es sollte ja viel beßeres sein, wenn es nach meinen Wünschen für Sie ginge, aber daß Sie wieder frei sich bewegen und daß Sie || wieder arbeiten können, ist doch ein großer Gewinn für Sie und Alle, die Sie verehren und lieben! So fache ich die Hoffnung wieder an, Sie im kommenden Jahr wieder zu sehen, hier bei uns oder dort bei Ihnen & Sie dann ganz hergestellt zu finden.

Auch Ihre verehrte Frau Gemahlin möge den bösen Gesellen, die Influenza, baldigst loswerden, der ist ein schlimmer Gast; doch scheint er sich bleibend niederzulassen & wir werden uns auch da anpassen müßen. Ich bitte Sie Ihrer lieben Frau meine & unser Aller herzlichste Grüße & Glückwünsche zum Fest & zum Jahreswechsel zu sagen & auch selbst für sich & alle Ihre Lieben anzunehmen. Leider kommen || siea diesmal aus einem recht trübseligen Kreise. Wir haben sehr viel Jammer in der Familie; zwei Schwestern meiner Mutter sind schwer krank & mein Vater in hartem Kampf mit dem unerbittlichen Naturgesetz. Sein zäher Körper wehrt sich, aber nun sein sonst so heller Geist vielfach ihn verläßt, wird er uns ein Bild des Jammers, das täglich & in einer so sehr geliebten Person den Augen sehen zu müßen, eine harte Prüfung ist. Nur das Bewusstsein der Nothwendigkeit sie zu bestehen, vermag den Kopf oben zu erhalten. –

Sehr erfreut bin ich über die künstlerischen Erfolge Ihres Sohnes, zu denen ich ihn sehr beglückwünsche. Wenn Sie je wieder an die Adria kommen, so sollte er Ihr Begleiter sein. So sehen Sie Ihre || künstlerische Natur in ihm vielleicht zur vollen Blüthe kommen. Möge es ihm vergönnt sein, sie auf die Ihnen würdige Höhe zu bringen. – Mir geht es bei starker, oft recht unerquicklicher Beschäftigung ganz gut; aber leider läßt sie mir so wenig Zeit, daß ich mit Ausnahme der kurzen Sommerferien zu irgend einer genußreichen Erholung nicht kommen kann & auch meine Frau aus der hiesigen Luft des Geschäftslebens nicht herauskommt.

Bewahren Sie mir und uns auch im kommenden Jahr Ihre Freundschaft, und laßen Sie uns wieder einmal Gutes von sich und Ihrer Familie hören.

In treuer Verehrung immer

Ihr ergebenster

Gust. Krauseneck

a korr. Aus: Sie

Brief Metadaten

ID
27793
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreichisch-Ungarische Monarchie
Datierung
22.12.1895
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
12,8 x 20.7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27793
Zitiervorlage
Krauseneck, Gustav Adolf an Haeckel, Ernst; Triest; 22.12.1895; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_27793