Gustav Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 6. Dezember 1895

Triest, am 6. Decemb. 1895.

Hochverehrter Herr Professor!

Ich bekomme eben im September-Oktoberheft der Pariser Revue „L’Anthropologie“ Ihren leibhaftigen Nekrolog zu Gesicht! Das ist der großen Sehnsucht gegenüber, Gutes von Ihnen zu hören, dann doch etwas stark und mich tröstet dabei nur die angebliche Erfahrung, daß totgesagte Leute sehr lange zu leben pflegen, was sich dann auch in diesem Falle zu Ihrem, der Wissenschaft und der ganzen gebildeten Welt Besten bewähren möge. Wie gerne hätte ich immer schon einmal wieder bei Ihnen nach Ihrem Befinden gefragt; es ist ja nur Bescheidenheit, die mir Zurückhaltung auflegt, aber || auch diese eigenthümliche Einleitung meiner Bitte um ein „Lebenszeichen“ hier darf ich wohl hoffen, daß Sie baldigst ¼ Stündchen für uns erübrigen. Unter Ihren über den ganzen Erdball verbreiteten Freunden & Verehrern rechnen wir uns ja doch zu den Allerwärmsten, die sich sehr freuen werden zu hören, daß Sie von Ihrem Unfall hergestellt und wieder der Alte sind. Ihr Nekrolog ist offenbar Frucht der Zeitungsnachrichten über Ihren Unfall. An ihn schließt sich die Nachricht vom Tode Nordenskiölds an, also eine recht nette Probe der Gewißenhaftigkeit der Naration dieses Journals.

Von uns habe ich Ihnen nichts von Klang zu melden. Mein Vater schleppt || sich mühsam und von zahlreichen Beschwerden gequält weiter unter stetiger Abnahme seiner geistigen Kräfte – kein erfreuliches Dasein. Uns andern geht es gut, ebenso den Römern, mit denen wir einige sehr angenehme Wochen in Tirol zubrachten. Valentine namentlich bedurfte dieser Erholung sehr, da sie doch durch die oft recht anstrengende Pflege angegriffen ist, in der herrlichen Tiroler Luft aber gut zu Kräften kam.

Ich hoffe, verehrter Freund, Sie werden meine sonderbare Mittheilung von der humoristischen Seite aufnehmen und mir verzeihen, wenn sie Ihnen neu sein sollte & Sie dadurch zur Contactirung einer Thatsache genöthigt worden, die man sonst nicht erst || zu beweisen genöthigt ist. Ich hoffe aber auch, daß Sie das in einer Weise veranlaßen werden, die Ihren leichtfertigen Bewunderer in der L’Anthropologie zu einer Aufklärung nöthigt, da doch nicht jedermann, der das liest, sogleich vom Gegentheil überzeugt sein kann. –

Ich bitte Sie, uns auch Ihrer verehrten Frau Gemahlin zu empfehlen & unsere herzlichen Grüße auszunehmen

Stets Ihr Sie verehrender

Gustav Krauseneck

Brief Metadaten

ID
27792
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreichisch-Ungarische Monarchie
Datierung
06.12.1895
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
12,8 x 20,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27792
Zitiervorlage
Krauseneck, Gustav Adolf an Haeckel, Ernst; Triest; 06.12.1895; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_27792