Arnold Lang an Ernst Haeckel, Zürich, 20. August 1902

ZOOLOGISCH-VERGL. ANATOMISCHES LABORATORIUM

BEIDER HOCHSCHULEN

ZÜRICH.

Den 20ten Aug. 1902

Mein verehrter und lieber Lehrer und Freund!

Sie wissen, dass ich im Briefschreiben immer die schlechteste Note bekommen habea, aber ebenso sicher wissen Sie, dass ich, wenn ich auch nicht schreibe, Ihrer doch stetsfort mit den gleichen Gefühlen der Verehrung und Anhänglichkeit gedenke. So hoffe ich, dass Sie mirb auch jetzt wieder die späte Beantwortung Ihres überaus liebenswürdigen Briefes vom 17ten Juli verzeihen. Wir haben uns – meine Frau und ich und die Kinder – offen gestanden nicht recht gefreut beim Empfang Ihres Briefes. Denn einmal haben Sie uns die Hoffnung genommen, Sie diesen || Herbst wieder als liebsten Gast in unserem Häuschen zum Eichhörnchen am Zürichberg begrüssen zu können und dann scheinen Sie mit Ihrer Gesundheit nicht so recht zufrieden zu sein. Hoffentlich erholen Sie sich recht gut während der Ferien Krupp’s Geschütze haben sich hoffentlich gegen alles als wirksam erwiesen, was Ihrer herrlichen Lebens- und Schöpfungskraft zu nahe geht.

Ich selbst bin gegenwärtig damit beschäftigt eine theoretische Arbeit abzuschliessen, an der ich schon seit mehr als 10 Jahren herumgedüftelt habe. Es handelt sich – im Anschluss an die Gonocoeltheorie – um eine Theorie des Blutgefässsystems, für die ja schon viele Grundgedanken vorliegen. Ich hoffe, dass man aner- || kennen wird, dass viele scheinbar weit auseinanderliegende Dinge unter einen Gesichtspunkt gebracht werden und ich hoffe ein wenig, dass Sie selbst einige Freude an meiner Arbeit haben werden. Das würde mir selbstverständlich besonders grosse Genugthuung bereiten. Wenn ich nur vor Ende der Ferien fertig werde, denn, wenn mir das nicht gelingt, werde ich wiederum bis zu den nächsten Frühjahrsferien warten müssen. Während des Semesters komme ich ja so wenig zu eigener wissenschaftlicher Arbeit.

Meiner kleinen Familie geht es ordentlich. Ihr Pathchen hat die Mutter schon an Körpergrösse überflügelt während die Mutter sich durch Körperfülle revanchirt. Ich selbst bleibe immer derselbe unverbesserliche Mensch!

Wir alle aber, im einstimmigen Chor, senden Ihnen die wärmsten Grüsse und die Einladung, das Berghaus zum Eichhörnli wieder bald einmal zu Ehren zu ziehen.

In Verehrung und Freundschaft

Ihr Arnold Lang

a korr. aus: haben; b eingef. mit Einfügungszeichen: mir

Brief Metadaten

ID
27195
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Schweiz
Entstehungsland zeitgenössisch
Schweiz
Datierung
20.08.1902
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,5 x 21,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27195
Zitiervorlage
Lang, Arnold an Haeckel, Ernst; Zürich; 20.08.1902; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_27195