ZOOLOGISCH-VERGL. ANATOMISCHES LABORATORIUM
BEIDER HOCHSCHULEN
ZÜRICH.
den 18. Mai 1899
Verehrter Lehrer und Freund!
Es ist nun schon wieder geraume Zeit verflossen, seit ich Nachrichten aus unserm lieben Jene erhalten und leider blieben auch die mündlichen Nachrichten, die wir von Ihnen erwarteten, aus. Dafür schickten Sie mir einen schönen Gruss, indem Sie mich mit der ersten Lieferung Ihres origninellen wissenschaftlichen Kunstwerkes „Kunstformen in der Natur“ so freundlich beschenkten. Empfangen Sie dafür meinen allerbesten || Dank. Ich habe mir vorgenommen, das Werk vor der hiesigen Kunstgesellschaft zu demonstriren und dabei erläuternde Präparate vorzuweisen; das wird die Herren gewiss ausserordentlich interessiren.
Ich bin immer noch über die Massen mit unsern Universitätsangelegenheiten geplagt. Die Baufrage macht langsam Fortschritte. Leider haben die Kliniker mit Knebeln zwischen die Beine geworfen und damit ausserordentlich geschadet. Die Herren scheinen überall von derselben Sorte zu sein. ||
Trotzdem mit den Immatrikulationen sehr streng verfahren wird, haben wir wiederum bedeutenden Zuwachs an Studirenden. 740 immatrik. Studirende sind für unsere kleine Universität mit ihren ungenügenden Räumlichkeiten viel zu viel. Im Kursus drängen sich 70 Praktikanden wie Schafe und mehr als 10 musste ich zurückweisen. In der Vorlesung sind mehr als hundert.
Endlich sind schöne Maitage gekommen und Bäume und Sträucher prangen im herrlichsten frischen Grün. In meinem Garten ist alles schön angewachsen und ich bin ganz ungeduldig in meinem Besitzerstolz, Ihnen || meine Lieblinge bald zeigen zu können. Die Kinder befinden sich wohl, sie werden in Freiheit dressirt. Meine Frau hustet; jetzt geht es ihr etwas besser.
Sie haben mir noch nicht über den Ritter-Professor No 3 geschrieben. Ich hoffe dass Sie an ihm mehr Freude erleben als an Nro. 1.
Die besten Empfehlungen an den erlauchten Referirabend.
In der Hoffnung bald wieder einmal gute Nachrichten von Ihnen und Ihrer verehrten Familie zu erhalten, mit den besten Grüssen von Haus zu Haus
Ihr getreuer alter Schüler
Arnold Lang