Arnold Lang an Ernst Haeckel, Bern, 26. Oktober 1876

Hochgeehrter Herr Professor!

Entgegen meinen Absichten, ein Jahr lang auf Reisen zu bleiben, sah ich mich genöthigt, schon nach einem halben Jahre mich in Bern niederzulassen. Der bisherige Privat-Docent der Zoologie an der hiesigen Universität: Dr. Studer, ist zum ausserordentlichen Professor ernannt. Perty hat glücklicherweise seine Demission genommen, nachdem er schon seit mehreren Jahren vor leeren Banken docirt und sich von der Zoologie ab und der positiven Pneumatologie zugewandt hatte. Es ist höchst unerfreulich für mich, hier in Bern zu arbeiten. Ein Zoolog. Laboratorium ist nicht vorhanden; ebensowenig Räume Microscope und andere Hülfsmittel des Studiums. Das Zoologische Cabinet besteht a aus ausgestopften Bälgen und || angespiessten Insekten. Mit dem städtischen Museum verhielt es sich bis vor Kurzem ebenso. Nun hat allerdings Prof. Studer eine Fülle von wunderschönen Sachen, zum großen Theil in Weingeist conservirte Thiere von seiner Erdumsegelung zurückgebracht. Mir nützt aber das nichts: der Kantonalen Universität steht das städtische Museum nicht zur Verfügung. Das Zoolog. Cabinet der Universität aber verfügt über einen jährlichen Credit von 100 frcs.

Prof. Studer hat verschiedene Portionen Bathybius mitgebracht und leugnet ausdrücklich dessen organische Natur. Prof. Kaufmann will Numuliten im Granit gefunden haben. Hiesige Gelehrte haben seine Praeparate besichtigt und die Sacheb bestätigt.

Ich warte mit Ungeduld auf das || Erscheinen der dritten Auflage von Ihrer Anthropogenie; hoffentlich wird dieselbe recht bald erscheinen.

Haben Sie die Kritik von Lamarck’s Zoologischer Philosophie gesehen? Mit der scharfen Polemik der biographischen Einleitung bin ich einigermassen einverstanden; das ungerechte Lob meiner Uebersetzung hingegen beschämt mich, da die Uebersetzung an vielen Orten wenn nicht unrichtig, so doch unbehülflich ist. Ich arbeite gegenwärtig an einer genauen Revision und Ergänzung meiner Doctor-Dissertation; welche in Form einer Biographie erscheinen wird.

Ich fühle sehr das Bedürfnis, mich durch ihren bekannten herzlichen Zuspruch und Rath zu meinen Arbeiten neuen Muth zu machen und werde mir wahrscheinlich nächsten Frühling erlauben, bei Ihnen in Jena einige Minuten vorzusprechen. ||

Entschuldigen Sie, Herr Professor, dass ich Ihre kostbare Zeit in Anspruch genommen und seien Sie herzlich gegrüsst von Ihrem

treu ergebenen Schüler

Arnold Lang.

Bern den 26ten Oct. 1876.

N.B. Ich hoffe zuversichtlich, dass Sie mich besuchen, wenn Sie c je Bern besuchen.

a und be; b mit Einfügungszeichen eingef.: die Sache; c gestr.: bei

Brief Metadaten

ID
27133
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Schweiz
Entstehungsland zeitgenössisch
Schweiz
Datierung
26.10.1876
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
11,4 x 17,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27133
Zitiervorlage
Lang, Arnold an Haeckel, Ernst; Bern; 26.10.1876; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_27133