Ernst Ehlers an Ernst Haeckel, Erlangen, 17. Oktober 1869

Lieber Haeckel!

Meinen besten Dank für Ihren freundlichen Brief und Sendung; ich hoffe in Kürze Ihre fossilen Quallen wenigstens mit fossilen Würmern vergelten zu können. Ihre Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren sah ich bei Siebold in München, aber nur flüchtig, und muss nun um so mehr bedauern, dass man Sie von Utrecht aus so knapp mit Freiexemplaren bedacht hat, denn hier in Erlangen hat man für solche Anschaffungen kein Geld.

Ich bin leider nicht im Stande, Ihnen Kalk-||schwämme schicken zu können, denn in der Sammlung findet sich kein einziges Stück. Ich kann das mit einiger Bestimmtheit behaupten, weil ich in den letzten Wochen die Esper’sche Spongiensammlung, welche in den „Pflanzenthieren“ beschrieben ist, durchgearbeitet habe, um zunächst die Originalexemplare Esper’s feststellen zu können. Dabei hat sich keine einzige Calcispongie gefunden; und ebensowenig unter den Esper’schen Alcyonien, so weit ich diesselben bis jetzt durchgesehen habe. Ist das Zufall oder sind von den älteren Sammlern die Kalkspongien gar nicht als Pflanzenthiere angesehen? Sollten sich in irgend einem Winkel oder unter den Vorräthen noch Kalkschwämme finden, so werde ich Ih-||nen dieselben sofort übersenden.

Seit ich die Prosectur los bin, fange ich an aufzuleben; die Zustände sind hier behaglich, und ich wäre ganz zufrieden, wenn die Bibliothek etwas besser wäre. Meine Sammlungen reichen für den Unterricht vollständig aus, und sehr erwünscht ist es, dass mit der zoologischen die palaeontologische Sammlung verbunden ist. Das verdankt man vermuthlich dem frommen Raumer, der von diesen Lusus naturae nichts wissen wollte, und sie den Zoologen überliess. Auch meine Arbeitsräume sind ausreichend, die Fonds genügend, und so kann ich recht zufrieden sein. – Ihren „darwinistischen Freund“ Pfaff sehe ich fast täglich, da unsere Arbeitsräume aneinander stossen; wissenschaftlich haben wir noch kein Wort gewechselt; ich glaube || er sucht es nicht, und ich habe gar keine Lust, ein solches Raisonnement zu hören, wie er es anderweitig von sich gegeben hat. – Dass Erlangen eine theolog. Universität ist, merkt man kaum; unsere Theologen sind zu klug, um ausser ihrer Lehrsphäre viel theologischen Dunst zu machen; und wissen wohl, dass mit den Naturwissenschaftlern nichts mehr anzufangen ist. So lebt man ganz gut neben einander.

Da Sie Ihrer Familie nicht erwähnen, so schliesse ich daraus, dass es Ihnen gut geht: empfehlen Sie uns unbekannter Weise Ihrer Frau Gemahlin. Verzweifeln Sie nicht ganz, was den Darwinismus betrifft, an mir, der ich doch wohl mehr Descendenztheoretiker bin, als Sie zu glauben scheinen, und bewahren Sie in alter freundschaftlicher Weise ein gutes Angedenken

Ihrem

E. Ehlers

Erlangen 17t October 1869

Brief Metadaten

ID
2700
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Bayern
Datierung
17.10.1869
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2700
Zitiervorlage
Ehlers, Ernst an Haeckel, Ernst; Erlangen; 17.10.1869; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_2700