Eggeling, Heinrich von

Heinrich von Eggeling an Ernst Haeckel, Gastein, 28. August 1906

Gastein d. 28/ VIII 1906

Hochverehrter lieber Herr Professor!

Nicht nur um mein Versprechen zu erfüllen, sondern vor Allem in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten und damit Auskunft über Ihr und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin Befinden, greife ich zur Feder. Die Bestätigung mit der Feder ist nicht kurgemäß, und so will ich mich denn auch auf dürftige Nachrichten über unser Ergehen beschränken. Alles Andere können wir || ja hoffentlich bald wieder besprechen.

Wir fuhren am 15 dieses Monats bei großer Hitze in Jena ab, übernachteten in München und langten am 16ten Abends hier an. Von dem lieben Salzburg ab begleitete uns natürlich der Regen, der hier in Strömen sich ergoß. Kein angenehmer Empfang für ein Paar alte, von der langen Reise schon angegriffene Menschen. Dazu dieses Suchen nach dem bestellten Wagen unter der angekommenen Menschenmenge, das Beischaffen des reichlichen Gepäckes – Alles in strömenden Regen; – na, endlich saßen wir in den gewohnten Zimmern, dann || allerdings – namentlich meine arme Frau – in einer Verfassung, die auch zu dem Entschlusse drängte: „Dieses ist die letzte größere Reise!“ – Aber, was sind Pläne und Entschlüsse?! Das Wetter besserte sich zeitweilig; der Jungbrunnen und die wundervolle Luft taten ihre Schuldigkeit; alte und neue bekannte und geschätzte Menschen trugen auch zur Erfrischung bei und – kurz, der Lebensmut kehrte wieder und damit die Hoffnung, noch öfter diesen herrlichen Aufenthalt genießen zu können, der uns so sehr erquickt. Gastein ist ja der Badeort für die Alten; Sie sind trotz ihrer 72 noch zu || jung für Gastein; aber vielleicht kommen Sie doch noch einmal hierher, um Ihre freilich unverwüstliche Jugend aufzufrischen. –

Viel Abwechslung bieten ja die hiesigen Wege nicht; aber sie sind so schön, daß man bei bescheidenem Gemüthe alle Tage – Wochen lang – denselben Weg machen kann, ohne daß die Freude an der herrlichen Natur vermindert würde. Ich wenigstens habe jeden Tag dieselbe große Freude, wie damals als ich zuerst diese Wege ging. – Aber freilich – ich kann auch jeden Abend dasselbe Schinkenbrot essen, ohne nach anderer Speise Verlangen zu empfinden. –

Meine Frau grüßt herzlichst und bittet mit mir, unsere herzlichsten Grüße und besten Wünsche für Ihr Beider Wohlergehen auch Ihrer lieben Frau Gemahlin auszusprechen.

Treu ergeben Ihr

Eggeling

aAm 10 oder 11 September siedeln wir nach Gries über (Hôtel Austria). Am 25. September in Jena.

a weiter am Rand v. S. 4

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
28.08.1906
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2649
ID
2649