Leiden 9 Mai 1871.
Sehr geehrter Herr Professor!
Haben Sie meinen herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief, der mir ein wahres Labsal war. Hier ist es furchtbar oede und ich muss alle meine Kraft aufbieten um nicht zu verzweifeln. Mein Chef ist sehr dagegen, dass ich Etwas publicire, wenn ich es thue so muss ich mich holländischer Zeitschriften bedienen, die kein Mensch liest, denn, sagt er, es hat keine Haltung wenn ein Beamter des Reichsmuseum im Auslande publicirt und die Re-|| gierung würde es sehr übel nehmen. (Das nennt man holländische Freiheit! – Selenka ist in den Osterferien an der Küste gewesen und hat die Entwicklungsgeschichte von Aeolis studirt. Im Sommer denkt er eine grössere Reise zu machen er weiss noch nicht recht wohin, vielleicht nach Portugal. Dass Ihre Reise Ihnen Frucht getragen hat, freut mich ungemein, ich bin sehr gespannt auf die Erscheinung Ihres Werkes, Spongien interessiren mich ungemein und wenn meine hiesige Stellung es mir erlaubte würde ich || die Untersuchung der Kieselschwämme und besonders der fossilen zu meiner Lebensaufgabe machen. Die chemische Eintheilung in Horn- und Kieselschwämme gefällt mir nicht, dass ist nicht natürlich, und ich kenne Kieselschwämme die den Hornschwämmen viel näher verwand sind als z. B. den Spongiten.
Ich habe im März wieder einen Vortrag gehalten „über Farbenanpassungen bei Vögeln und besonders bei ihren Eiern“, das Letztere ist noch recht wenig berücksichtigt und auch Darwin in seinem neustem || Werke übergeht diese oft sehr frappanten Erscheinungen. Die Praeparate werde ich Ihnen möglichst bald zukommen lassen, wenn Sie mir mittheilen wollen was Sie für ein Format von Objectträgern haben. Etwa das Giessner? Sonst geht hier Alles seinen alten Gang, nur muss man, wenn auch indirect, darunter leiden dass man kein Holländer zu sein die Ehre hat. Wie geht es mit Vrolik und gefällt er Ihnen?
Bitte empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin bestens!
Ihr treuer Schüler
William Marshall.