Ernst Mach an Ernst Haeckel, Wien, 12. September 1905

Hochgeehrter Herr College!

Eben habe ich Ihre Schrift „Der Kampf um den Entwicklungs-Gedanken“ zu Ende gelesen. Ich kann das Buch nicht aus der Hand legen, ohne Ihnen zu sagen, mit welchem Interesse ich Ihrer schlichten und sachgemässen Erzählung gelauscht habe, obgleich mir die Hauptereignisse natürlich bekannt waren und ich den Gegenstand nie aus den Augen gelassen habe.

Ueber Virchow war ich ja seinerzeit empört, doch hielt ich fälschlich sein Verhalten durch eine partielle Bornirtheit bedingt, wiea sie zuweilen auch bei den bedeutendsten Menschen vorkommt. Dass er aber, wie ein richtiger Pfaffe, die Aufklärung für sich behalten und vor andern verschliessen wollte, kann man nur mit grösstem Schmerz denken. Was wollen wir da noch den Jesuiten vorwerfen, von denen vielleicht mancher gegen Jugendeindrücke nicht aufkommen kann.

Sie gehören zu den wenigen Glücklichen, welche mit dem Rückblick auf grosse wissenschaftliche Leistungen auch noch das Bewusstsein verbinden können, stets selbstlos und unbestechlich für Aufklärung und Freiheit gekämpft zu haben. Möchten Sie sich diesesb Glückes recht lange erfreuen!

Mit herzlichem Dank, in aufrichtiger Verehrung

Wien, 12/IX 1905

Ihr ergebenster

Dr Ernst Mach

a handschriftl. korr. aus: wiee; b handschriftl. ergänzt aus: diese

Brief Metadaten

ID
25919
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Österreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich
Datierung
12.09.1905
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
1
Umfang Blätter
1
Format
22,9 x 28,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 25919
Zitiervorlage
Mach, Ernst an Haeckel, Ernst; Wien; 12.09.1905; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_25919