Heinrich von Eggeling an Ernst Haeckel, Jena, 26. September 1889

Jena 26 / IX 89

Hochverehrter Herr Professor!

Gern hätte ich Ihnen schon längst für den früheren Brief gedankt; aber ich habe in einer unbeschreiblichen Hetze gelebt und wollen Sie daher meine Nachlässigkeit freundlichst entschuldigen. Mit dem Danke für den letzten Brief nehmen Sie zugleich den Dank für den soeben eingetroffenen entgegen! Die Besetzung der Chemischen Professur ist bereits erfolgt; lassen Sie sich den Hergang kurz erzählen.

Am 19. October erhielt ich die Denominations-Berichte, welche lauteten: 1) Brühl, Conrad und Knorr (alphabetisch geordnet) 2) von Pechmann 3) Curtius. Da ich im Voraus orientirt war, konnten die Berichte mit meinen Begleitberichte alsbald abgehen und erhielt ich dann am 20. Abends || Auftrag, zunächst mit Knorr, dann eventuell mit Curtius zu verhandeln. Nachdem ich am 22. früh die Antwort erhalten hatte, daß p. Knorr an diesem Tage Abends in Würzburg zu sprechen sein würde, reiste ich alsbald ab und kehrte schon am 23. Abends mit der Zusage p. Knorr‘s zurück. Ich habe einen recht günstigen Eindruck von p. Knorr bekommen und hoffe, daß wir eine gute Wahl getroffen haben. Knorr versprach, in den nächsten Tagen zu kommen, um sich Wohnung zu nehmen, ist aber bisher nicht erschienen. Der Auftrag für förmliche Berufung p. Knorr‘s ist soeben an die Universität gelangt.

Unter diesen Umständen kommt Ihr warmes Wort für Curtius leider zu spät, hoffentlich aber nicht zum Schaden für die Universität. Aus den zahlreichen Briefen, welche hier eingegangen waren, ging hervor, || daß Knorr ein außergewöhnlich begabter und tüchtiger Chemiker und guter Lehrer ist. Die Nachrichten über Curtius lauteten ebenso günstig; aber es war wohl natürlich, daß man dem an erster Stelle empfohlenen, auch bereits weiter vorgeschrittenen Manne den Vorzug gab. Im Lebensalter ist freilich Curtius voraus; denn Knorr wird erst 30 Jahr, wie er mir sagte. Ich bitte, daß Sie die Mittheilung über den mir ertheilten Auftrag als vertraulich behandeln wollen. –

Mit Freude begrüße ich, daß Sie bald zu uns zurückkehren und wünsche ich nur von ganzem Herzen, daß Sie und die Ihrigen auch recht erfrischt und gesund heimkehren! Wir haben wir hier fast immer schlechtes Wetter und eine feindliche Kälte. Hoffentlich kommt der alte-Weiber-Sommer noch mit freundlicheren Tagen, die wir zu Ausflügen benutzen können. Bis dahin wird ja auch || mein Arbeitstisch etwas leerer sein, der seit dem Urlaube infolge der mehrfachen Dienstreisen unerfreulich belastet ist. –

Morgen habe ich Herrn Geheimen Hofrath Dr. Stickel eine auf ihn geprägte Denkmünze, welche Seine Königliche Hoheit der Großherzog anfertigen ließ, zu überreichen. Es ist der Tag, an welchem p. Stickel vor 50 Jahren aus der theologischen in die philosophische Facultät übertrat. Die Denkmünze soll zur dauernden Erinnerung in dem orientalischen Münzcabinet niedergelegt werden; die Verdienste um diese Sammlung werden auf der Münze hervorgehoben und gewürdigt. −

In der Hoffnung auf ein frohes Wiedersehen sende ich Ihnen herzlichen Gruß und bitte um meine freundlichsten Empfehlungen an Ihre hochverehrte Frau Gemahlin!

Treu ergeben

Ihr

Eggeling

Brief Metadaten

ID
2589
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
26.09.1889
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
12,9 x 20,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2589
Zitiervorlage
Eggeling, Heinrich von an Haeckel, Ernst; Jena; 26.09.1889; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_2589