Heinrich von Eggeling an Ernst Haeckel, Jena, 9. September 1889

Jena d. 9 September 1889

Hochverehrtester Herr Professor!

Im Begriff Ihnen zu schreiben erhalte ich soeben Ihre freundlichen Zeilen vom gestrigen Tage, für die ich herzlichst danke! – Mit Bedauern ersah ich aus denselben, daß mancherlei Krankheit die Ursache Ihres mir unerklärlichen Verbleibens in Jena gewesen ist. Von ganzem Herzen wünsche ich, daß Ihnen und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin die „Wildbäder“ und die herrliche Waldluft Badens volle Gesundheit geben und daß Sie alle recht erfrischt und gestärkt zu uns zurückkehren!

Es war mir sehr leid, daß ich Sie hier nicht antraf; denn ich wünschte so sehr, mit Ihnen über die Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Chemie Rücksprache zu nehmen! Ich war, wie gesagt, im Begriffe, Ihnen deswegen zu schreiben, als Ihr Brief eintraf, || der mich ebenso erfreute, wie noch jedes Mal Ihr Eintreten bei mir. –

Nachdem ich gestern Abend zurückgekommen, nahm ich heute Vormittag mit dem stellvertretenden Prorector, Hofrath Thomae, und mit Professor Kalkowsky Rücksprache über die zu treffende Fürsorge für das chemische Institut. Bei beiden Herren traf ich auf eine gewisse Verzagtheit, ob es gelingen werde, den so wichtigen Lehrstuhl bis zum Beginn des Wintersemesters wieder zu besetzen; man hatte sich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, einen Privatdocenten zur interimistischen Leitung des Laboratoriums hierher zu ziehen. Meiner Ansicht nach ist dieser Gedanke ganz unausführbar – überhaupt, ganz besonders aber jetzt, wo wir gegründete Hoffnung haben, daß der Bau des neuen Laboratoriums mit Beginn der Bauzeit endlich in Angriff genommen werden kann. Das hätte natürlich nicht geschehen können, wenn wir im nächsten Semester des Ordina-||rius für Chemie hätten entbehren müssen; denn selbstverständlich muß der zu Berufende die aufgestellten Pläne noch begutachten etc. – Ein Interimisticum dürfte also entweder eine höchst unliebsame Verschleppung der Bauangelegenheit zur Folge haben oder Ausführung vona Einrichtungen, welche unserem künftigen Vertreter für Chemie nicht genehm sind. Ich muß daher die Wiederbesetzung der Stelle bis zum Beginn des Wintersemesters für unbedingt nothwendig halten. Ihr Brief giebt mir gewisse Hoffnung, daß jenem Bedürfniß entsprochen werden kann; möchte sich doch die Facultät schnell über Ihre Vorschläge schlüssig machen! Es wird an andern Vorschlägen nicht fehlen; denn der Chemiker, welche gern in ein Ordinariat einrücken möchten, giebt es viele und die verschiedenen Lehrer an den größeren Universitäten möchten ihre Schüler auch gern anbringen. Ich besprach die Sache in Tarasp auch mit Sell aus Berlin; dieser bezeichnete mir als besonders tüchtig die Extraordinarien Tiemann-Berlin, Anschütz-Bonn, Döbner-Halle || und Kraft-Heidelberg. Sollte die Sache für Sie durch die Fischer‘sche Empfehlung noch nicht endgültig abgethan sein und sollten Sie Gelegenheit finden, über die Genannten noch etwas zu hören, so wäre ich Ihnen für eine Mittheilung sehr dankbar. –

Wir haben eine ziemlich unerquickliche Sommerfrische genossen. In Tarasp hatten wir fast immer schlechtes Wetter– Winterkälte mit viel Regen und Schnee; dazu kam, daß meine Frau und namentlich die Kinder vielfach kränkelten. Erst auf der Heimreise lächelte der Himmel freundlicher und ein fünftägiger Aufenthalt in Innsbruck, von wo wir verschiedene Ausflüge mit der Brennerbahn und nach dem Achensee unternahmen, ließ uns einigermaßen das Unbehagen vergessen, welches der Tarasper Aufenthalt in diesem Jahre mit sich gebracht hatte. In kurzen Abschnitten mit Aufenthalt in München, Nürnberg, Coblenz, Hildburghausen und Meiningen sind wir dann in befriedigender Gesundheit zurückgelangt. An Arbeit fehlt es nicht; aber man ist auch wieder arbeitsfreudig. – Möchten Sie doch auch ferner recht schönes Wetter haben!! Mit herzlichsten Grüßen für Sie und Ihre Lieben

Ihr treu ergebener Eggeling

a eingef.: Ausführung von

Brief Metadaten

ID
2588
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
09.09.1889
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2588
Zitiervorlage
Eggeling, Heinrich von an Haeckel, Ernst; Jena; 09.09.1889; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_2588