Heinrich Eggeling an Ernst Haeckel, Jena, 31. März 1889

Jena 31 März 1889

Hochverehrter lieber Freund!

Es war ein glücklicher Zufall, daß gerade heute Ihre freundlichen Zeilen eintrafen, die mich so sehr erfreuten! Es ist der Geburtstag meiner lieben Mutter, ein geweihter Tag für mich, an welchem ich mich auch mit Ihnen besonders verbunden fühle, der sie mit gleich inniger und dankbarer Liebe an ihrer Mutter hängen, wie ich es von jeher gethan habe. Herzlichsten Dank für Ihren Brief! –

Mit Freude ersah ich aus demselben, daß Sie sich wohl befinden, mit Bedauern, daß die Ausbeute Ihrer Reise bisher nicht den Erwartungen entsprochen hat. Weidmann‘s Heil! ruft der Jäger Ihnen zu! Vielleicht hilft das und es verlieren sich doch noch ganz besondere Thiere in Ihre Netze. – ||

Für den telegraphischen Gruß aus Wiesbaden dankte ich umgehend auf gleichem Wege; hoffentlich ist mein Telegramm auch angelangt, obwohl ich die Adresse unseres phylogenetischen Freundes und Gönners nicht anzugeben vermochte. Ich freue mich sehr, daß er Ihnen die freie Verfügung über die Stiftungserträgnisse eingeräumt hat; nun sind diese der besten Verwendung sicher. – Aber freilich mit ihrer Reise nach Australien zur Erforschung der a Schnabelthiere (diese waren es doch?) – wird’s nun wohl nichts werden, oder Herr von Ritter müßte sich einmal zu einer Stiftung ad hoc verstehen. Es ist ein merkwürdiger Mann! Als jenes Telegramm eingetroffen war, sprachen wir in Familie viel von Herrn von Ritter und dabei erzählte Heinrich, daß derselbe ihn an jenem Nachmittage in Moritzburg, während Sie im Buchenschatten schliefen, || auch erklärt habe, was Philogenie eigentlich bedeute; so nämlich habe Herr von Ritter den Gegenstand seines Interesses ausdrücklich bezeichnet. Hoffentlich war die Erklärung nicht zu eingehend für den Jüngling. Eine praktische Bedeutung scheinen die philogenetischen Interessen unseres Freundes nicht gehabt zu haben! –

Von hier werden Sie die neuesten Nachrichten erhalten haben, so weit es solche überhaupt giebt. Meine Frau war heute Mittag bei Ihrer Frau Gemahlin und hatte Alles wohl gefunden.

An Georg Meyer‘s Stelle kommt nun Brockhaus der Ihnen von früher bekannt sein wird. Er war flüchtig hier, um sich vorzustellen; seine Persönlichkeit hat mir gefallen. – An Liebschers Stelle wird, wenn nicht senatus illustris noch Einwendungen erhebt, wohl der jetzige Director Landbauschule in Kappeln in Schleswig-Holstein || kommen, ein self made man, friesischer Bauernsohn, der wesentlich Autodidact zu sein scheint und durch viele literarische Arbeiten auf landwirtschaftlichen Gebiete sich einen angesehenen Namen erworben hat. Hoffentlich wird mit ihm auch holder Friede in der landwirtschaftlichen Lehranstalt einziehen. Der Meininger Landtag hat den geforderten Beitrag zu unseren Bauten ohne Debatte einstimmig bewilligt, dank des kräftigen Eintretens guter Freunde. Leider aber wird sich der Beginn der Bauten bis Anfang 90 hinausschieben, weil der Altenburger Landtag nicht vor November zusammentreten kann. Ja! Wenn man mit vier Regierungen zu thun hat! – Uebrigens erwartet man dort, wie auch in Gotha, wo der Landtag im Mai zusammentritt, mit Zuversicht ebenfalls Bewilligung; aber bevor sie ausgesprochen, läßt sich nichts machen! – ‒

Möge es Ihnen weiter gut gehen und mögen sie erfrischt und gestärkt heimkehren! Das mein herzlichster Wunsch! Fröhliches Ostern in Rom! Treu

Ihr

Eggeling

a gestr.: Brut

Brief Metadaten

ID
2586
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
31.03.1889
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
11,2 x 17,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2586
Zitiervorlage
Eggeling, Heinrich an Haeckel, Ernst; Jena; 31.03.1889; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_2586