Gude, Karl

Karl Gude an Ernst Haeckel, Magdeburg, 27. Februar 1864

Magdeburg, den 27 Feb. 1864

Mein lieber, armer Freund!

Vorgestern ist mir durch einen Brief Deines lieben Bruders die erschütternde Kunde von dem Tode Deiner lieben Anna geworden, gerade als ich auf dem Wege nach dem Wilhelmsgarten war, wo wir noch vor wenigen Monaten so traulich zusammensaßen. Das theure Bild Deiner Anna steht noch ganz lebendig vor meiner Seele und wird in meinem Herzen auch nie erlöschen, denn die Dahingeschiedene gehörte zu den so seltenen Erscheinungen, die man schon bei der ersten Begegnung lieb gewinnen muß. Als Ihr zwei glücklichen Menschen mich verlassen hattet, ist mir’s wieder schwer auf die Seele gefallen, was man entbehrt, wenn man kein Herz hat, das man ganz und gar sein nennen kann. Ach, was hast Du, armer || Freund, verloren. Die Blume ist hinweg aus Deinem Leben, und Du kannst auch sagen: vad und farblos seh ich’s vor mir liegen. Ich fühle Deinen Schmerz, aber wie vermöcht‘ ich, Dich zu trösten. Ein Glück ist es, daß in diesen schweren Stunden die Eltern Dir zur Seite stehen können. Ja, man kann sie, und würde man noch so alt, nicht lange genug haben. Ihre Liebe bleibt doch der beste Balsam. Kein Freund kann sie ersetzen.

Dein Bruder hat mir mitgetheilt, daß Du nach Ostern wieder nach dem mittelländischen Meere zu gehen gedenkst. Thue das ja und beginne eine Arbeit, die alle Deine Kräfte in Anspruch nimmt. Nur Arbeit und ein männlicher Muth vermögen einen solchen Schlag zu tragen, wie er Dich betroffen hat.

Noch hätte ich eine Bitte! Vielleicht hast Du eine Photographie Deiner lieben Anna, die ich bekommen kann. Du würdest mich sehr damit erfreuen. Ich habe sie sehr lieb || gewonnen.

Grüße doch Deine theuren Eltern auf das Herzlichste von mir. Die Liebe, die über das Grab hinausreicht, möge auch Deinen Schmerz lindern helfen. Von ganzer Seele

Dein

Gude.

p.sc. Noch nachträglich herzlichen Dank für das Sendschreiben, das ich mit vielem Vergnügen gelesen habe. Auch Rolle ist studirt; Gregorovius, den Deine Anna noch so warm empfahl, ist auch angeschafft; zum Lesen bin ich leider noch nicht gekommen.

 

Briefdaten

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.02.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 252
ID
252