Nebuschka, Marie Luise

Marie Luise Nebuschka an Ernst Haeckel, Dresden, o. D.

Dresden-Klotzsche

Bahnhofstr. 8.

Hochverehrte, teuerster Exzellenz!

Durch Ihre letzte Sendung von Büchern, Bildern, Kunstformen der Natur u. besonders das Original des Pinus cefalonica haben Sie mich unendlich reich u. glücklich gemacht u. ich danke Exzellenz viel tausendmal dafür.

Was mir jedes Ihrer Gaben u. Schreiben ist, kann ich kaum ausdrücken.

Wie ein Talisman, der mich gegen Hässlichkeiten schützt, wie ein täglich neuer Hoffnungsstrahl in allen Sorgen u. Nöten. Es ist mein größtes Besitztum neben dem Reichtum Ihrer geistigen Schätze der bisher noch immer meinem Herzen, als dem Verstand näher steht. ||

Was wird mir das alles noch für schöne Stunden bereiten, je mehr ich es erfasse.

Mein schönster Lebensinhalt wird es sein, da ich noch dazu das Glück hatte, Exzellenz persönlich kennen zu lernen.

– Ernst Haeckel als Erzieher gefällt mir riesig u. spricht mir so ganz aus der Seele.

Ich habe es momentan mit den andern Büchern im Theater, weil ich im Ostermärchen, in dem ich singen, tanzen u. sogar fliegen muß, viel Zeit in den Zwischenacten habe, damit ich da wenigstens geistige Beschäftigung habe, die bei dem jetzigen Repertoire der Theater oft ganz fehlt. – – –

– – – – Daß Exzellenz körperlich so viel zu leiden haben, tut mir sehr weh u. ich möchte fast wünschen ein Zauberkünstler zu sein, damit ich all das mit Hokuspokus verschwinden lassen könnte. – – – – – – –

Es ist also doch manchmal bedauerlich, daß es all diese Vorstellungen nur in || unsrer Phantasie gibt.

Man möchte gerade jetzt gern oft solche Zauberkünste verstehen, weil es kein Mittel zu geben scheint, dem blödsinnigen Treiben der Menschen ein Ende zu machen.

Überall steckt es an, auch jetzt an unserm Theater in ganz hässlicher Weise, die mich veranlaßt, ganz auf Seiten des Direktors zu gehen u. ihm mit aller Kraft, wenn es sein muß, mit List beizustehen, wenigstens bei uns ein Ende zu machen. Wohin wird es gehen? – Ich werde dafür natürlich gesteinigt, doch was tuts. – Wenn es nur erst sein Ziel erreicht hätte! – Diese ganze Angelegenheit nimmt momentan meine ganzen Nerven, da ich mich hier auf einem, wie uns allem neuen Gebiete befinde u. deshalb bitte ich Exzellenz um Verzeihung, wenn ich heute zerstreut bin.

Wenn es Exzellenz interessieren sollte möchte ich mir gern erlauben später || davon zu berichten, wie man bei uns einem Streik, oder Skandal beigekommen ist.

Es geht diese Unruhe wie ein Lauffeuer durch die ganze Welt u. scheint fast, als hätte der Massenmord noch immer nicht lang genug gedauert.

Wann wird die gesamte Menschheit endlich nach höheren Zielen streben?! –

Ich hatte so viel gehofft, und nun diese Wirrnisse. Aber immerhin, ich kämpfe, also ich lebe endlich wieder, endlich! –

– Haben Sie, teuerste Exzellenz vorläufig vielen herzlichen Dank für alles Gute u. Schöne, es wird mir, so hoffe ich, auch hier zum Sieg verhelfen.

Mit dem innigsten Wunsche einer baldigen Besserung für Ihre Gesundheit

bin ich wie stets mit

aller Hochachtung

Ihre ergebene, dankbare

Marie Luise Nebuschka.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
nach 25.08.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 23987
ID
23987