Ostwald, Wilhelm

Wilhelm Ostwald an Ernst Haeckel, Grossbothen, 5. Januar 1911

Dr. Wilh. Ostwald

Gross-Bothen, Kgr. Sachsen

Landhaus Energie

5. 1. 11

Sehr verehrter Herr Kollege:

Herzlichen Dank für Ihr freundliches Schreiben, das mich völlig beschämt hat, ebenso wie die Schilderung Dr. Aigners von der Aufnahme, die Sie meinem Entschluss zuteil werden liessen. Mir soll das ein Ansporn sein, den neuen Pflichten gerecht zu werden.

Um damit einen Anfang zu machen, habe ich mir folgendes ausgedacht. Der Nachteil solcher

Vereine besteht immer darin, dass sie die Mitglieder nicht genügend zusammenhalten, weil sie ihnen zu wenig bieten. Ich halte daher die Einrichtung von regelmässigen Sonntag-Vormittag – (bzw. S.-Nachmittag) – Besprechungen in den Ortsgruppen für wünschenswert und um für diese eine feste geistige Unterlage zu geben, plane ich die allwöchentliche Herausgabe von „Monistischen Sonntagspredigten“, in denen einzelne Punkte unserer Weltanschauung gemeinfasslich erörtert werden. Jeden Sonnabend werden die kleinen Hefte auf die Post gegeben, so dass sie Sonntag früh ausgetragen werden.

Die finanzielle Organisation habe ich mir überlegt; sie scheint nicht schwierig. Um ein Experiment zu machen, habe ich an den letzten beiden Abenden je eine solche Betrachtung

geschrieben; demgemäss traue ich mir zu, die Sache || ein Jahr allein durchzuführen. Ich lege die Manuskripte bei, um Ihnen ein Bild von dem zu geben, was ich meine.

Nun hoffe ich aber, dass Sie auch mittun werden, so dass wir beide etwa abwechselnd eine

Woche um die andere das Wort nähmen.

Ich glaube, das könnte unseren Bund in kurzer Frist verdoppeln oder vervielfachen. Es würde für Sie alle 14 Tage einen halben Druckbogen ausmachen; das ist nicht viel, namentlich, wenn man für trockene Zeiten einen Vorrat vorarbeitet.

Dann habe ich noch eine Bitte. Ich gebe seit 9 Jahren „Annalen der Naturphilosophie“ heraus und bitte Sie um einen Beitrag, am besten von mehr fachlichem, natürlich allgemeinem Charakter. Die Annalen leiden noch an Abonnentenmangel, und das wäre eine gute Kur.

Schliesslich frage ich an, ob ich Sie Sonnabend den 7. in Jena aufsuchen darf. Ich würde um

1h48 mittag in Jena eintreffen und könnte bis 5 oder 6h bleiben.

Ist es Ihnen recht, so bedarf es keiner Nachricht, anderenfalls bitte ich um ein Telegramm.

Ihr ganz ergebener

W Ostwald

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.01.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 23757
ID
23757