Wilhelm Ostwald an Ernst Haeckel, Grossbothen, 28. Dezember 1914
Grossbothen, 28. 12. 1914
Herrn Prof. Dr. Ernst Haeckel, Exc. Jena
Lieber und verehrter Freund
Nun ist es doch ein Monat darüber hinweggegangen, bevor ich dazu gekommen bin, ihren
lieben Brief vom 20. Nov. zu beantworten, und Ihnen für die Auskunft zu danken, die Sie mir so bereitwillig gegeben haben.
Mit inniger Teilnahme erfuhr ich von dem nahen Anteil, auch schmerzlichster Art, den Sie mit Ihrer näheren Familie an dem gegenwärtigen Kriege nehmen müssen.
Auch meine drei Söhne sind durch ihn in Anspruch genommen, der älteste als Leutnant in Rethel, der zweite als freiwilliger Automobilist in Polen; der dritte als freiwilliger Motorradfahrer ist an Rheumatismus infolge seiner Tätigkeit erkrankt. — Inzwischen werden
Sie aus der Tagespresse ersehen haben, dass jetzt auch mir das Schicksal bereitet wird, das Sie so lange und tapfer getragen haben, nämlich die Infamie persönlicher Angriffe seitens der orthodoxen Gegner. Ungleich Ihrem Falle aber hat die Universität, der ich fast zwanzig Jahre angehört habe, am allerersten versagt, und während Jena auch bei den heftigsten Angriffen auf Ihre Person wenn auch nicht an Ihre Seite getreten ist, so doch vermieden hat, auf die der Gegner zu treten, ist die Universität Leipzig als allerbereitwilligste Hilfstruppe der schwarzen Anführer in das Feld geritten. Ich lege Ihnen ein Blättchen bei, das ich heute an die Presse versende, und aus dem Sie ersehen mögen, dass mich die Sache nicht um meine allgemeine heitere Lebensauffassung gebracht hat. Das spasshafte dabei ist, dass ich tatsächlich im Auftrag des Auswärtigen Amtes und mit persönlichen Instruktionen des Unterstaatssekretärs Zimmermann nach Schweden gereist bin (Dieses wird Ihnen natürlich nur im engsten Vertrauen mitgeteilt) und dass die Dreikönigszusammenkunft in Malmö den ersten Schritt auf der Linie der politischen Entwicklung bedeutet, für deren Vertretung ich die Reise nach Schweden unternommen hatte. Der Umstand, dass es gegenwärtig unsere auswärtige Politik erschweren würde, wenn diese Tatsache bekannt würde, hat mich veranlasst, den ganzen Sturm über meinen Rücken fahren zu lassen. Und ich kann nicht leugnen, dass ich sogar ein gewisses patriotisches Wohlgefühl dabei empfinde, auf solche Weise || einen, wenn auch recht kleinen Teil der allgemeinen Kriegslast persönlich übernehmen zu können.
Mit den herzlichsten Wünschen zum bevorstehenden Neuen Jahre und
den aller wärmsten persönlichen Grüssen
bin ich
Ihr ganz ergebener
W Ostwald ||
[Beilage]
WILHELM OSTWALD
GROSS-BOTHEN
LANDHAUS ENERGIE
An die Redaktion
Um freundlichen Abdruck der umstehenden „Berichtigung“ bittet ergebenst
W Ostwald ||
Öffentliche Berichtigung
von Wilhelm Ostwald
Durch die ausländische Presse (Temps, Hessagero, Secolo usw) geht die Nachricht, ich hatte anscheinend in amtlichen Auftrage zum Zwecke wirksamer Brandstiftung an feindlichen
Objekten in meinem Laboratorium besondere Rezepte ausgearbeitet, über welche sogar chemische Einzelheiten angedeutet werden. Nun haben mich jüngst gemachte Erfahrungen
belehrt, welche schreckbaren Folgen durch die Unterlassung einer öffentlichen Berichtigung derartiger Tatarennachrichten bewirkt werden können. Um demgemäss mir, bezw. den etwa hierfür in Betracht kommenden Stellen die Verlautbarung einer weiteren öffentlichen Missbilligung zu ersparen, erkläre ich hiermit auf das feierlichste, dass ich die fraglichen Brandstiftungsvorschriften weder ausgearbeitet habe noch auch amtlich zu ihrer Ausarbeitung veranlasst worden bin.